It must schwing.

Ach Leute.

Ich bin so froh, ich habe einen Film gesehen. Es ging um JAZZ.

Und dass mein Vater mich seinerzeit damit vertraut gemacht hat, mir dies GEFÜHL für den Swing vermittelt hat, und für das was daran gut und wer darin gut ist, (4/5) ist ein wahrhaft zeitloses Vermächtnis.

Der Film heisst „It must schwing“, ein laanger Dokumentarfilm über Alfred Lion und Francis Wolff, zwei Deutsche Juden, die sich vornehmlich als Berliner betrachteten, dann aber im Angesicht von Bücherverbrennungen und anderen Härten der Nazis dazu entschlossen, auszuwandern und sich auf die Suche nach der Quelle ihrer Passion zu machen – in New York City. Denn sie hatten im Berliner Admiralspalast Benny Golson und Sidney Bechet, wahrscheinlich auch Arthur Shaw gesehen. Und deren Alben wurden nach wie vor verkauft (merke: Jazz kann auch unter dem Radar) – also konnte es mit den Nazis ja nicht so schlimm sein. Dort angekommen, erst Alfred, der Macher (Produzententyp); später dann auch Francis, (der introvertierte Fotograf), erfuhren sie Rassendiskriminierung, wie sie sie nicht mal in Deutschland erlebt hatten. Bullen prügeln auf die Protagonisten der „filthy music“ ein und genehmigen sich danach ein Bier in den angesagten Clubs – wo Jazz läuft, während Billie Holiday mit dem Lastenaufzug zu ihrer Show muss. BLUE NOTE wurde gegründet und mit jedem Cent, den ein paar Platten oder Radio-Abspielungen brachten, wurde das nächste Recording finanziert. Sie haben sich ihr Leben lang um Musiker „gekümmert“. Erst Auftritte klarmachen, dann Sandwiches und Obdach besorgen für die hungernden Art Blakeys, Lou Donaldsons, Sonny Rollins, Bobby Timmons, Horace Silvers dieser Welt; dann feiern in Harlem und danach von den „niggers“ aufgemischt werden. Was erlauben weisser Mann?! Später, als dann auch größen wie Miles Davis und  John Coltrane im Programm waren, war es nicht mehr so schwer. Vorher jedoch, hätten sie ihre Seele (und ihr Auto) dafür verkauft, den jungen Bud Powell zu treffen. Oder später Wayne Shorter, Ron Carter, Quincy Jones, Herbie Hancock – alle im Film zu besichtigen. Und sämtlich voll des Lobes („I never got payed for rehearsals before, man!“). Es ist einfach schön, dabei zuzusehen und zu -hören.

Nicht zu vergessen Herrn Reed, der es doch tatsächlich geschafft hat, über 500 Cover so zu gestalten, dass man nach der Scheibe greift und weiss: das ist richtig. Mal ganz abgesehen davon, dass er der erste war, der die schwarzen Jungs tatsächlich auf dem Cover abgebildet hat. In dieser unnachahmlichen Nähe und Präsenz, die Francis Wolffs Fotos vermitteln.

Filme über Jazz sind immer schwierig. Also lasst uns feiern, dass es zwei weisse, deutsche Niggerseelen geschafft haben, aus ihrer Passion die geilste Musikfirma der Welt geschaffen zu haben: BLUE NOTE. Hier bekam jeder ein Bett, etwas zu essen und notfalls auch eine Flasche Schnaps. Oder werweisswas. Die besten Sessions liefen Nachts, nach den Konzerten in Harlem bei Rudy van Geldern hinter einem Trennvorhang. Because (wie Ron Carter im Film sagt): „Best things happen at night, man!“.

 

 

La bohème …

… ne signifie plus rien.

Éh oui, cher Charles, comme tu chantais; le temp qui passe n’a pas arrangé les choses.

Car les hommes de talent, de stile et d’attitude nous manquent de plus en plus en ces temps barbares. Ceux qui sonts „dissociés du bruit“, les „amoureux de l’amour“, les „têtes d’affiche“, les „geules de bois des hasards“ et surtout les „musiciens comédiens magiciens“.

Tu nous as fait briller le soleil de nos envies secrètes à pleins feux. De pluie en bataille; nos amours on trouvés ta voix et tes mots pour nous émouvoir toujours à nouveau. Même, si ce n’etaient que des souvenirs.

Non, nous n’avons rien oublié.

Gedankenpolizei.

Bedrückend, nach 33 Jahren George Orwells/Michael Redford’s „1984“ wieder zu sehen.

Ich war damals, noch als Student der Kommunikationswissenschaften an der LMU in München, zur (Deutschen) Premiere geladen und bin abermals geschockt von der Macht, die Gewalt auf Gedanken auszuüben in der Lage ist. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass wir derlei Willens-Kontrolle inzwischen völlig freiwillig und ohne jeden Widerstand über uns ergehen lassen. Jedes Handy kann uns orten – und wir verstecken uns nicht. Jeder Chat wird aufgezeichnet – und wir finden das normal. Jede Transaktion kann ausgewertet werden – und wir lassen es geschehen. Die vollständige Entgrenzung des Individuums zu politischen oder merkantilen Zwecken findet statt – ohne dass es irgendjemand aus der Herde der Schafe als Einschränkung persönlicher Freiheit wahrnehmen würde.

Wie viele Finger?   5

Bist Du ein Mensch?   Ja

 

Chuck’it!

Also eigentlich wäre ohne DEN der ganze Scheiss‘ gar nich`angefangen.“ Der Mann hat recht. Und so’n Kram wie Elvis, Tina Turner oder gar die weisse Flachpfeife Buddy Holly wohl auch nicht. Oder die Stones. Oder ’68. Oder … oh my god.

Und der Mann war alt genug, um das zu beurteilen. Aber wieso war ich als kleiner Junge so fasziniert von „Maybellene“?!

Wahrscheinlich weil, wer solche Bewegungen macht, nicht mit seinen Eltern einverstanden ist. Oder zumindest bereit, ihnen zu widersprechen. Oder abzuhauen. Irgendwohin, wo Rock’n Roll ist.

PS: jetzt hab ich’s: er hat uns die Synkope gelehrt. https://www.youtube.com/watch?v=ttm3_cLhxFo Ab da wurde nicht mehr auf die 1 geklatscht. Zumindest von allen, die noch was vom Leben haben wollten.

Weniger schön.

Bevor Sie das lesen, sollten Sie lesen, was gut war. Also den Beitrag zuvor. Und die Musik 2016 war wirklich gut.

Danach fällt Ihnen vielleicht auf, dass Mitmenschen mit keinem Wort erwähnt wurden. Das hat den Grund, dass Mitmenschen nicht dazu beigetragen haben, dieses verkommene Jahr zu einem guten Jahr zu machen. Zumindest waren sie kein entscheidender Faktor dafür. Eher dagegen. Und wir wollen hier nicht über die Mächtigen Potentaten auf dem Vormarsch sprechen, sondern eher über die vielen kleinen Diktatoren, die sich nicht scheuen, ihr pervertiertes Kommunikationsverhalten zum Maß der Dinge zu erheben. Wenn es etwas gibt, dass ich am vergangenen Jahr wirklich abstoßend finde, dann, dass es das Jahr war, in dem die Menschen angefangen haben, mit gesenktem Kopf durch die Gegend zu laufen. Und damit meine ich nicht nur die Facebook-Zombies, denen man auf der Straße aus dem Wege gehen muss, weil sie vertieft in ihre virtuelle Welt dem Menschen, der ihnen entgegenkommt keine Achtung mehr schenken (geschweige denn der Meinung sind, sie ihm zu Schulden), sondern die, die sich erdreisten, ihre abseitigen, meist angeschmiegten Meinungen nur noch im Netz divulgieren zu können, ohne in der realen Welt je dafür einstehen zu können. Traurige Gestalten umringen uns, die weder Willens noch in der Lage sind, ihre Ansichten zu formulieren, wenn jemand vor ihnen steht, der möglicherweise Widerworte von sich geben könnte. Was für erbärmliche Loser. Und dabei stets in Gefahr, ihre scheinheilige Anonymität in Mitläufertum und Eiferei (aus sicherer Entfernung versteht sich) zu diffundieren. Diese fatale Mischung aus Öffentlichkeit und Rückzug ist, vielleicht, die neue Basis für gedankenlose Radikalität. Und wie heißt es so schön bildhaft: eine Religion, die Dich in die Knie zwingt, ist eine schlechte Religion. Gilt auch für den gesenkten Kopf. Leider ist das Prinzip dahinter global anwendbar und (per interaktiver „Monstranz“) möglicherweise sogar zu steuern. Damit also ein Grund dafür, dass es ein schlechtes Jahr war.

Die anderen Gründe kennen Sie, geneigter Leser, selbst. Übergriffige Staatsoberhäupter mit nationalistischen Tendenzen. Brexit. Renzis Vorstoß (der Computer-Besserwisser schlägt allen Ernstes „Renaissance“ vor).  Volxxabstimmg (Jandl), Europa im Niedergang inkl. der Idée der gesamten Chose und jetzt auch noch Schengen. Sowie ein Rechtsruck allenthalben – fast schon egal ob per Post-Intervention inszeniert für die „nationale Sicherheit“ oder nicht.

Und wie der soeben verstorbene John Berger so treffend sagte: “It seems to me that we have to return, to recapitulate what globalisation meant, because it meant that capitalism, the world financial organisations, became speculative and ceased to be first and foremost productive, and politicians lost nearly all their power to take political decisions – I mean politicians in the traditional sense. Nations ceased to be what they were before.”

Wahr und schlimm genug. Eines aber noch: Wenn die Kunst es sich gefallen lässt, nach ökonomischen Maßstäben auch nur beurteilt zu werden, dann hat sie verloren. Und wir alle mit ihr.

Kampf den Verrätern der Menschlichkeit. Das wird mein Motto für 2017 sein. Tataa! Und der Systemgastronomie!! Tatataa! Ääh, Minions? Wannahavabanana?

I wanna have „La Habana“. Hasta la victoria siempre.

Der Prinz.

Ein Prinz ist eben kein König, und auch wenn „Prince“ es gerne werden wollte, gereicht es ihm zur Ehre, die Rolle des Emporkömmlings, des Herausforderers, des „contesters“ angenommen zu haben. Stilistisch ebenso wie in seiner (siehe Bowie) permanenten Umverwandlung. Immer auf der Suche nach dem perfekten Beat war er nicht nur einer der brillantesten Musiker des Pop, sondern auch ein widerborstiger Musikpolitiker, der als einer der ersten (ja, Bob Dylan, Johnny Cash, George Michael und andere auch) gegen die Knebelberträge der Studios opponiert und seine Musik im Internet vermarktet hat. Dabei hat er zeitweise auch sich selbst aus den Augen verloren und selbstverliebten Scheiss‘ gebaut.

Entscheidend bleibt für mich aber, dass er mich mehrfach in meinem Leben völlig hingerissen hat. Mit dem New Funk seiner frühen Alben, seinen androgynen Provokationen, 3 Tracks seines letzten Werkes (Check it out) und mit 3 persönlich erlebten Konzerten. Vor allem aber mit seiner legendären Aftershow-Party im Münchner „Parkcafé“ (Hansi & Inge!) – in der er nicht nur entspannt ein 2-Stunden-Set nach einem 3-Stunden-Konzert in der Olympiahalle („Sign o‘ the Times“, mit Sheila E an den drums) abgeliefert und uns dabei zu einer Vogelweides, kollektiven Tanzorgie motiviert hat, sondern mir von Rio Reiser auch noch mein Hut geklaut wurde. Tempi passati.

Transzendenter Soulfunk mit nihilistischen Tendenzen. Gibt es dafür eine Therapie? Wahrscheinlich nicht, wenn es einen mal gepackt hat. Aber wer will dazu schon ein Gegenmittel? Wir haben es heute leider bekommen.

Kiss!

best.

Also Erstens habe ich mir vorgenommen, diesen Blog etwas positiver zu gestalten; das heisst, nicht nur zu schreiben, wenn das Elend unerträglich wird. Zweitens brauche ich dafür eine Übersprungshandlung, und die lautet: Was, bidde, ist der beste Film aller Zeiten?

Damit meine ich nicht, was des geneigten Lesers liebster Streifen ist, sondern welcher möglicherweise ALLE Menschen dieses Planeten eint in der Meinung: das ist ein sehr guter Film.

Mein persönlicher Erfahrungshorizont ist dahingehend nicht ganz schlecht, weil etwa 5 große Kulturräume umfassend. Und ich tat mich dennoch schwer. Jetzt wüsste ich gerne, was Ihr so vorzuschlagen habt. Mein Kandidat ist inzwischen klar.

Love (& Films)

Rap Dylan.

Nach der Betrachtung von Martin Scorseses eindringlicher Doku „No Direction Home“ über Bob Dylan, glaube ich, dass Dylan vielleicht der erste Rapper war. Silben-betonter Sprechgesang, Text in rythmischer Verschiebung, enharmonische Verwechslung, herausgezögerte Reimpaare – alles davon kennzeichnet (gute) Rap-Music. Die direkten Kommentare auf gesellschaftliche Aktualität auch. Und ebenso wie im Hip-Hop wurde auch bei Dylan der Übergang zu einer anderen Instrumentierung als die Schändung des „Originals“ betrachtet und (in ausverkauften Konzerten) ausgebuht.

Come senators, congressmen, please heed the call
Don’t stand in the doorway, don’t block up the hall
For he that gets hurt will be he who has stalled
The battle outside ragin‘
Will soon shake your windows and rattle your walls
For the times they are a-changin‘

Der hauptsächliche Unterschied liegt wohl darin, dass weder von „Booties“ noch von Autos, Drogen, Ficken die Rede ist.

Vom Kämpfen handeln beide Genres. Aber wohl um andere Dinge. Bzw. eben nicht um Dinge.

„… don’t think twice, it’s aaallright!“

3 Tode.

Ornette Coleman, Christopher Lee und Harry Rowohlt sind gestorben, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge mitgefühlt. Und trotzdem als Dreierpack niederschmetternd. Nicht, weil sie uns nicht genug Stoff gegeben hätten, der zu Tränen rührt und ohne den man gar nicht der wäre, der man ist, sondern weil so viel Freiheit und Freigeistigkeit auf einmal vergehen. FreeJazz und neue Musik-Formen, Free translation und neue Wort-Formen … aber Lee? War der nicht – zumindest zeitweilig – der Blut-Sklave seiner Produzenten? Angefixt und ausgesaugt? Mag sein, aber im Perspektivwechsel hat er UNS freigesetzt, mit seinen unübertroffenen Schurken ohne die wir nicht einmal den euphemistischen Begriff „Bösewicht“ in den Griff gekriegt hätten.

Ob „The Shape of Jazz to Come“ oder „Puuh’s Corner“ oder „Dracula“: sie haben uns „freigesetzt“. Musisch, literarisch, cineastisch. In allen diesen Werken liegt Befreiung. Vom Formelhaften, vom Geordneten, vom Rigiden, vom Bösen. Insofern kann ich mich glücklich schätzen, allen Dreien mein Leben lang bei der Arbeit zugesehen haben zu dürfen.

Ausserdem sahen sie gut aus. Nicht weil schick, sondern weil echt. Und haben alle geknattert, was auch immer; waren verschuldet und über die Maßen artikuliert … und hatten alle „Haltung“. Meist zugunsten derer, die was verändern wollen. Keinesfalls dem status quo verhaftet. Und in so vielem von mir innerlich beklatscht und bejubelt. Beim Lesen, beim Hören, beim Zuhören, beim Zugucken.

Es beschleicht einen also in der Trauer das selbstgerechte Gefühl älterer Männer, die letzten ihrer Art gewesen zu sein. Dabei schließt man sich den verstorbenen gerne an und profitiert schamlos von ihrer Brillianz.

Apropos: erzählt mir doch beim Jazzer-Kondolenztelefonat ein alter Freund, dessen Kompetenzbereich eine federführende Plattenabteilung des Landes ist, dass Christopher Lee mal bei ihm im Lager war, als er dazukam. Der Herr stöberte wohl gerade in raren Opernplatten. Als der Hausherr den Raum betrat, bekam er ein „Don’t be shy, come on in!“ zu hören.

Oder Herr Rowohlt, der zwar später von der „Sedaritis“ sprach, aber dennoch in Sedaris „Nackt“ Überleitungen wie die Folgende hinbekam: „Wir überquerten die Grenze in einem pfirsichfarbenen Mustang, der einem Sprachtherapeuten aus Barstow gehörte, und ich drehte mich kurz auf meinem Autositz um, bevor ich schwor, nie wieder einen Blick zurückzuwerfen.“

Oder eben die ins Mark treffenden Saxophonlinien von Coleman, die im Oktett mit Dolphy, Cherry, Hubbard, Haden, Higgins, Jamaladeen Tacuma und weiss‘ ich noch wer, die Töne und Harmonien verändert haben, die eine ganze Generation geprägt und an den Rand des Wahnsinns getrieben haben. Die Süddeutsche (A. Kreye) schreibt von der „… Klarheit und Zielgenauigkeit eines Laserstrahls erst einmal ins Herz getroffen“ zu werden, und seine Opfer „…werden Musik nie wieder hören können, wie zuvor.“

Mit einem Zitat aus einem „Schausaufen mit Betonung“ (Lesung) möchte ich schließen: „McKinsey möge sich bitte freundlichst und gründlichst gehackt legen!“