Idyll.

T2 in StaraFuzina.

 

Ein Ort, der Bullerbü, Heidis Alm und Ronja Räubertochters Wälder auf einmal darstellt ist schwer vorstellbar. Dennoch existiert er. Zwischen den Karawanken und den Julischen Alpen gelegen, finden sich Täler, die nicht wilder, Dörfer, die nicht malerischer und Seen, die nicht einladender sein könnten als eine Kinderfantasie von den perfekten „großen Ferien“. Wer das Glück hat, dort gewesen zu sein, kann nicht anders, als sich an das zu erinnern, was früher einmal der Sommer war. An jeder Ecke ein neuer Ausblick, hinter jeder Hecke ein Geheimnis und an jeder Wegbiegung Gelegenheiten, Unsinn zu machen und Spass zu haben. Geschichten erfinden sich von selbst, die Natur spielt mit, die passenden Menschen und Gestalten kommen dazu. Ganz von alleine stellt sich das Gefühl ein, wieder Kind zu sein und auf Entdeckungsreise zu gehen; bei jedem Schritt und ohne Mühe. Ach wie schön ist Slovenien, wenn man einen Freund hat, mit dem man teilen kann.

T2 = Glück

Vorhang.

Ich weiß nicht recht, ob er sich hebt oder fällt; über Kambodschas Vergangenheit. Und ob es hierzulande noch irgend jemanden interessiert, dass die Prozesse gegen die Chefideologen und Mörderbrüder Pol Pot’s nun doch noch zu Urteilen führen. Derlei „Probleme“ scheinen ja eher biologisch (also passiv) als legal (also aktiv) gelöst zu werden. Aber als empathisch Miterlebender der Nachbeben dieser unvorstellbaren Tragödie, die fast die Vernichtung einer Jahrtausende alten Kultur zur Folge hatte, sind die ergangenen Schuldsprüche gegen Nuon Chea und Khieu Samphan, die „Nummer Zwei“ und das damalige Staatsoberhaupt eine Genugtuung, die die „SZ“ zu Recht „Ein guter Tag für Millionen“ nennt.

Stellt Euch einfach vor, Euere Grosseltern, Eltern, Onkel und anderen Verwandten hätten sich unter Androhung eines gewaltsamen Todes gegenseitig ins KZ geschickt. Dann wären Euere Tanten dazwischen gegangen und Euere Cousins, Cousinen, Schwestern und Brüder hätten sie, terrorisiert, verraten. Und Euere Kinder sollen jetzt so tun, als wäre nichts gewesen. Und wir reden hier über die Siebziger, nicht über den Weltkrieg.

Schwer zu Glauben das alles, aber wahr. Und ich habe die Geschichten gehört. Zugegeben teils nach viel Alkohol, aber der macht ja gesprächig. Auch aus Mündern, denen ich nicht trauen kann. Was die Sache noch schlimmer macht – denn im Gegensatz zu den Nazis leben viele der Schuldigen noch inmitten der kambodschanischen Gesellschaft; teils an den Schaltstellen; alle wissen es und niemand traut sich aus der Deckung. Weil ein „funktionierendes“ Gemeinwesen das einzige ist, was ihnen geblieben ist.

Nuon Chea ist bei der Urteilsverkündung sitzen geblieben. Er sitzt im Rollstuhl, kann dem Vernehmen nach aber jederzeit stehen. Das ist selbst bei uns eine Missachtung des Gerichts. In Kambodscha ist es ein Zeichen an die Gefolgsleute von damals, zu schweigen bis zum Tode. Also wird es doch biologisch geklärt werden müssen. Aber eine große Erleichterung für junge Kambodschaner (sie machen unter 28 fast die Hälfte der Bevölkerung aus (!) ist es dennoch. Das Zeichen heißt: wir dürfen jetzt darüber reden.

Vier Stunden.

Ein Freund (oder zumindest jemand, den ich dafür halte), flüsterte mir heute, ich möge doch wieder etwas schreiben. Das Problem dabei, erwiderte ich, sei, dass die diversen erhobenen Finger kaum zu umgehen seien und ich deshalb zwar schreibe aber nicht publiziere. Der Zeigefinger als aufdringlicher Patron, der Mittelfinger als billiger Effekt und der Rest ist „Wacken!“.
Nun ist es derzeit auch noch so, dass sich eine Stellungnahme zu aktuellen Ereignissen kaum mehr umfassend, geschweige denn differenzierend bewerkstelligen lässt. Wenn man zum Beispiel einen Zirkel nähme; und diesen auf einen Radius von, sagen wir mal, 4 Flugstunden einstellte, umfasste der Kreis – vom internationalen Flughafen FFM ausgehend – Brennpunkte und Konflikte auf der Welt, die nur noch durch ihre Dringlichkeitsstufen in den öffentlich-rechtlichen Medien voneinander zu unterscheiden sind. Eines haben sie alle gemein: Tod und Verderben von Unschuldigen.
Die Ost-Ukraine, der Gaza-Konflikt und der Nord-Irak sind ja noch recht leicht als Kämpfe um Einflusssphären, Öl, Absatzmärkte für Waffen, Maschinen und Religion (in dieser Reihenfolge) zu identifizieren; aber der Süd-Sudan, die Flüchtlinge in Äthiopien, aus dem Sahel und über das Mittelmeer, oder Syrien, wo nach wie vor ein erbitterter Krieg tobt, den keiner beenden will, weil dann rauskäme, das sie alle Dreck am Stecken haben, sind schon schwieriger zu beurteilen. Geschweige denn die Ebola-Pandemie, die sich zwar abzeichnet, aber wegen des unseligen Dreiklanges aus Macht, Korruption und sozialer Ungleichheit weiter ihren Weg finden wird, wie alles, was die Natur erfindet um die Lücken schwacher Evolution zu füllen. 4 Flugstunden. Das bedeutet, man könnte innert eines Tages in Dantes Inferno fliegen und zurück – möglicherweise mit dem Erreger desselben im Gepäck. Kürzer, als von Hamburg nach Spaichingen. Und nach dem, was ich bisher über Globalisierung gelernt habe, kann es gar nicht lange dauern, bis alle Reperkussionen über diverse Umwege – zumindest Ökonomisch – auf uns zurück fallen. Was dann wieder Anlass zu allerlei Kündigungen sein wird. Als Hoimar v. Dittfurth 1986 auf dem Jugendforum sagte „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass Ihr Euch auf Euerer Sattheitsinsel abschotten könnt!“, da hielten ihn selbst die progressiven Schülerzeitungsredakteure für einen Schwarzmaler. Sie sind jetzt in den Chefredaktionen angekommen und verwalten das Elend einer Flut von grauenvollen Nachrichten, die nur einen Vorteil haben, nämlich das sie sich gegenseitig neutralisieren bzw. verdrängen.
Ihr seht: die Themen sind erdrückend und kaum zu bewältigen, trotz der unfassbaren Möglichkeiten zur Information und Differenzierung, die sich uns heute bieten (oder gerade deshalb). Ich plädiere also nachdrücklich dafür, die vollständige Trennung der unglückseligen Paarungen Staat/Religion, Soziale Ungleichheit/Ressentiment und Geld/Moral zumindest gedanklich zu vollziehen – bei jeder denkbaren Entscheidung. Das wird wenige von uns direkt tangieren, hilft aber gegen die stumpfe Apathie mit der wir die Nachrichten aus unseren Außenbezirken aufnehmen. Glücklicher macht es nicht, aber schlauer und aufmerksamer. Und als Ansatz eine Hilfe gegen schleichende Misanthropie.
Oder wie Karl Kraus sagt: „Der Teufel ist ein Optimist, er meint, er könne die Menschen schlechter machen“. (Die letzten Tage der Menschheit)