Ultimatomaten.

Soso. Nun soll also das Bild verfestigt werden, „unsere Gelder“ flössen direkt in die Automaten darbender, panischer Griechen. Abgesehen von der Tatsache, dass „unsere Gelder“ weder etwas existierendes bezeichnet, noch bisher je irgendetwas wirklich „geflossen“ ist, bleibt offenbar nur Ressentiment und dumpfe Stammtisch-Attitüde gegenüber einem souveränen Volk, dass einfach nicht spuren will und „über seine Verhältnisse“ gelebt hat – und jetzt tatsächlich auf breiterer Ebene Gewissheit für die kommenden, schmerzlichen Schritte haben will. Wer vor ein Ultimatum gestellt wird, darf, nein MUSS das Recht haben, sich seiner Mehrheiten gewiss zu sein – egal, ob er dafür oder dagegen ist. Das nennt sich Demokratie und ist eine Erfindung der Griechen.

Also ist diese um sich greifende Verdummung schwer auszuhalten angesichts der Tatsache, dass selbst das derzeit äußerste Mittel – nämlich die Überweisung der unbedingt fälligen Raten an den IWF durch Europa als solches (als Fonds? Nach welchem Verteilungsschlüssel?) – de facto an sie selbst und die führenden Öl- und Industrieländer geht. Nochmal in kurz: Du musst aber kannstnicht an uns zahlen? Na dann überweisen wir uns mal die Kohle selbst und Du bist uns noch mehr schuldig als zuvor.

Kleines Update: Der IWF ist klar nach Ländern bis auf die zweite Kommastelle hinter der „0“ aufgeteilt. Wobei die Einlagen den relativen Krediten und Profiten entsprechen sollten, die der IWF eigentlich zur Aufgabe hat. Beispiele: Afghanistan 0,09% / Albania 0,03% / Algeria 0,53% / Angola 0,14% … um nur die alphabetisch allerersten zu nennen. Die nächsten interessanten Interessenten in der endlosen Liste sind (fast wahllos): Argentina 0,87% / Australia 1,3% / Austria 0,87% (also soviel wie Argentinien) / Belgium 1,86% / Brazil 1,72% / China 3,81% / France 4,29% / Germany 5,81% / Italy 3,16% / Japan 6,32% / Korea 1,36% / Mexico 1,47% / UK 4,29% (da sitzt die Kohle, die kein Öl ist) / … und die 16,74% für die USA.

Die 2,39% der Russian Federation und 2,8% der Saudis überraschen dann folgerichtig nicht wirklich – wobei auch Lybien, Venezuela und Malaysia auf ganz beachtliche Quoten kommen (oh, das Ö-Wort1) und Indien mit vergleichsweise lachhaften 2,34% zu Buche schlägt – ebenso lächerlich wie Polens 0,70% oder Spaniens 1,63%.

Eine Art weltweiter Eurovisions-Contest in einer Ukrainischen Mehrzweckhalle (0,57%) mit einem unterbezahlten Gospelchor, EU-Nummerngirls und einem Amerikanischen Ringrichter. Und da soll mir weisgemacht werden, dass die 0,47% Griechenlands eine ernst zu nehmende Rolle spielten bei diesem Schattentheater? Der „IWF-Commissar“ für diese Einlage heisst übrigens What-the-fuck-is‘ oder so ähnlich. Das Problem ebenso ungebü(h)rlicher wie unbeugsamer Kleinstaaten bleibt natürlich bestehen – jedoch die Art, es zu behandeln hat sich seit 2.000 Jahren kaum geändert.

Divide et impera.

Quelle: IWF-Mitgliedsstaaten

3 Tode.

Ornette Coleman, Christopher Lee und Harry Rowohlt sind gestorben, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge mitgefühlt. Und trotzdem als Dreierpack niederschmetternd. Nicht, weil sie uns nicht genug Stoff gegeben hätten, der zu Tränen rührt und ohne den man gar nicht der wäre, der man ist, sondern weil so viel Freiheit und Freigeistigkeit auf einmal vergehen. FreeJazz und neue Musik-Formen, Free translation und neue Wort-Formen … aber Lee? War der nicht – zumindest zeitweilig – der Blut-Sklave seiner Produzenten? Angefixt und ausgesaugt? Mag sein, aber im Perspektivwechsel hat er UNS freigesetzt, mit seinen unübertroffenen Schurken ohne die wir nicht einmal den euphemistischen Begriff „Bösewicht“ in den Griff gekriegt hätten.

Ob „The Shape of Jazz to Come“ oder „Puuh’s Corner“ oder „Dracula“: sie haben uns „freigesetzt“. Musisch, literarisch, cineastisch. In allen diesen Werken liegt Befreiung. Vom Formelhaften, vom Geordneten, vom Rigiden, vom Bösen. Insofern kann ich mich glücklich schätzen, allen Dreien mein Leben lang bei der Arbeit zugesehen haben zu dürfen.

Ausserdem sahen sie gut aus. Nicht weil schick, sondern weil echt. Und haben alle geknattert, was auch immer; waren verschuldet und über die Maßen artikuliert … und hatten alle „Haltung“. Meist zugunsten derer, die was verändern wollen. Keinesfalls dem status quo verhaftet. Und in so vielem von mir innerlich beklatscht und bejubelt. Beim Lesen, beim Hören, beim Zuhören, beim Zugucken.

Es beschleicht einen also in der Trauer das selbstgerechte Gefühl älterer Männer, die letzten ihrer Art gewesen zu sein. Dabei schließt man sich den verstorbenen gerne an und profitiert schamlos von ihrer Brillianz.

Apropos: erzählt mir doch beim Jazzer-Kondolenztelefonat ein alter Freund, dessen Kompetenzbereich eine federführende Plattenabteilung des Landes ist, dass Christopher Lee mal bei ihm im Lager war, als er dazukam. Der Herr stöberte wohl gerade in raren Opernplatten. Als der Hausherr den Raum betrat, bekam er ein „Don’t be shy, come on in!“ zu hören.

Oder Herr Rowohlt, der zwar später von der „Sedaritis“ sprach, aber dennoch in Sedaris „Nackt“ Überleitungen wie die Folgende hinbekam: „Wir überquerten die Grenze in einem pfirsichfarbenen Mustang, der einem Sprachtherapeuten aus Barstow gehörte, und ich drehte mich kurz auf meinem Autositz um, bevor ich schwor, nie wieder einen Blick zurückzuwerfen.“

Oder eben die ins Mark treffenden Saxophonlinien von Coleman, die im Oktett mit Dolphy, Cherry, Hubbard, Haden, Higgins, Jamaladeen Tacuma und weiss‘ ich noch wer, die Töne und Harmonien verändert haben, die eine ganze Generation geprägt und an den Rand des Wahnsinns getrieben haben. Die Süddeutsche (A. Kreye) schreibt von der „… Klarheit und Zielgenauigkeit eines Laserstrahls erst einmal ins Herz getroffen“ zu werden, und seine Opfer „…werden Musik nie wieder hören können, wie zuvor.“

Mit einem Zitat aus einem „Schausaufen mit Betonung“ (Lesung) möchte ich schließen: „McKinsey möge sich bitte freundlichst und gründlichst gehackt legen!“

Geh‘ sieben Felder.

Was „die G7“ beschlossen hat, ist, als würde ich behaupten, ich würde mit 70 mit dem Rauchen aufhören.

Das kann man mir oder denen da glauben, es belächeln, bezweifeln, rundweg lächerlich finden oder eben als das, was es ist, entlarven: nämlich ein Popanz. Nämlich von Namen, nicht von nehmen. Also als eine Inszenierung, die auch noch an das glaubt, was sie darstellt, teils als Spontanmanuskript. Und ohne jede Scheu, einen Generationenvertrag unverbindlich zu formulieren. Denn „da werden wir uns dann noch Strafen einfallen lassen“ ist fast das Gegenteil von „wir werden dasunddas soundso bestrafen“. Alles andere als Zwang auf höchster diplomatischer Ebene ist global sowieso aussichtslos. Das heisst folgerichtig, dass ein Land das andere auch wegen derlei Vergehen (natürlich in anderer Sache) erpressen kann. Noch dazu auf Kosten derer, die das Prozedere bezahlen und derer, die sich bemühen, den Entwicklungen die nötige Geschwindigkeit zu geben. In Summe ist eine Absichtserklärung nie „a priori“ schlecht. Jedoch mir fehlt der Glaube. Alles viel zu langsam.

Wir kriegen ja – als eines der reichsten Länder der Welt – nicht mal unser Rentensystem hin.

Das ist kurzfristiger.

 

Nachtrag: es handelt sich beim Wachstum ebenso wie beim Weltklima wohl um eine e-Funktion in unterschiedlichen, aber gleich selbstvernichtenden Verlaufskurven. Das hat bisher noch kaum einer empathisch nachvollzogen (siehe Schachbrett mit dem jeweils doppelten Reiskorn oder das 1.000 mal zerrissene und aufeinandergelegte Papier). Also wird wohl eher der Parasit den Wirt zerstören – auch wenn das jetzt wieder diese lausige Gauss-Normalverteilung ist.