Dreschen.

In romantisierenden Romanen liest man ja gerne mal, dass archaische Arbeiten selbst den eingefleischtesten Städter mit einer unverhofften Erfüllung heimsuchen. Ungebeten kann sie nicht sein, sonst käme es nicht zum Akt der Verrichtung dieser oft als „einfache“ oder gar „niedere“ Tätigkeiten unzulänglich beschriebenen, meist repetitiven und unmittelbar an eine fast vergangen erscheinende Form des Lebensunterhaltes gekoppelten Techniken durch Menschen, die davon nur noch das verarbeitete, verpackte Produkt oder die maschinell hergestellte Version kennen, und dem Prozess deshalb schon (lebens?)lang entfremdet sind.

Nun trifft es sich aber, dass ich gestern das große Glück hatte, beim Reisdreschen mitmischen zu dürfen. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass man in langärmeliger Montur und ebensolchen Hosen inkl. Mundschutz und Kopfbedeckung große, handwarme Garben (der Silo-Effekt) frisch geschnittener und mit je einem Stängel zu Bündeln geschnürter Reishalme auf einen 2x3m messenden, kurzbeinigen Bambustisch drischt bis auch das letzte Reiskorn aus den Hülsen gesprungen und in den Zwischenräumen des groben Gitters quer vernagelter Bambusstangen verschwunden ist. Was mühsam und unbeholfen anfängt, wird zunehmend leichter, weil der Tisch immer wieder angehoben wird und in neuer, bequemerer, weil höherer Position auf die darunter liegenden Körner platziert wird.

Wir arbeiteten zu sechst am Tisch, die Garben wurden uns von den schwächeren, fauleren und betrunkeneren (also tendenziell Männern) angereicht, dergestalt, dass der Haufen neben einem möglichst nicht kleiner wurde. Zu beachten ist vor allem, dass der erste Schlag sitzt und dann erstmal ausgeschüttelt wird, damit der zweite beim Ausholen die Körner nicht in hohem Bogen und zur Freude der Hühner hinter einen befördert. Die weiteren 4 Doppelschläge mit jeweils einer beidhändigen Vierteldrehung der Garbe sind der Angst zu verhungern geschuldet und tendenziell ineffektiv, aber dafür besonders Kraft raubend. Dann wirft man das noch gebundene (wenn man’s drauf hat) Bündel in hohem Bogen auf einen Haufen. Es wird meist verschenkt oder im Morgengrauen gestohlen. Die Tiere werden es fressen.

Das Ganze fand fast im dunkeln statt, im spärlich beleuchteten Innenhof unserer Schule, auf einer rutschigen Plastikplane, bei 33 Grad und umherschwirrenden Kleinstmörsern und Minispeeren. Man sucht sich seine Hilfskräfte nicht raus und wenn die vorher auch noch was zu tun haben oder gar dekadenten Unterricht geben, dann geht es eben erst nach Sonnenuntergang los. Stundenlang. Für Essen. In jeder Hinsicht.

Mein Haufen war der Größte und ich damit auch. Nicht verraten – bei Gummiente und Warmbier danach – habe ich meine Mentalstütze: den Golfschwung. Bei drohender Erlahmung sogar leftie-style. Der Rest war konzentriertes, kollektives Prügeln mit Technosound in Zeitlupe. Kurzum: irgendwann halluzinogen und zutiefst meditativ. Ich hätte noch ewig weiter machen können und bin im Innersten befriedigt in die Dusche.

Die hatte kein Wasser.

Epilog: Danach wurde das noch umher liegende Stroh gerecht, der Reis aufgeschüttet und die Plane säuberlich darüber zusammengefaltet. Der Tisch wanderte weiter zum nächsten Feldbesitzer. Ein ganzes Feld haben wir in einer Nacht geschafft. Die Schätzungen der Ausbeute liegen zwischen 420 (ich) und 800 Kg (der Besitzer). Essen für ein Jahr. Und ich bin dennoch froh, wenn ich mich irre. Heute bei Sonnenaufgang wurde der Reis noch einmal ausgebreitet, weiter gerecht und getrocknet. Kurz nach Schließung der Plane begann es dauerhaft zu regnen. Glück gehabt.

Ein Gedanke zu „Dreschen.

  1. Ist ja lustig, Roman hat gestern eine MeNuK (Mensch, Natur und Kultur)-Arbeit über Getreide, also auch Reis geschrieben und im Größen und Ganzen wurde das Dreschen ähnlich beschrieben. Einerseits schade, dass er da Deine Live-Berichte noch nicht kannte, andererseits bin ich froh, er hätte sonst endlos mit seiner Lehrerin über die Details diskutiert, die in den Lehrbüchern so nicht drin stehen… Alles Liebe, Uta

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