Mare Nostrum.

Mehr als 4.000 Menschen sind in genau diesem Moment auf der Flucht vor Armut oder grausamen Lebensumständen in Schlepperbooten oder dem Untergang geweihten Nußschalen auf dem Mittelmeer unterwegs. Und es werden täglich mehr. Bisher wurden sie, halb verhungert, verdurstet oder schon (halb)tot einfach „abgewiesen“ und von der Küstenwache in ihre Heimatländer „zurückgeleitet“ oder schlicht ignoriert. Dank des neuen „mare nostrum“-Programmes der EU sollen PR-trächtige Katastrophen wie die 350 Toten von Lampedusa neulich vermieden werden. Der Effekt dieser neuen Menschlichkeit ist, dass die Schlepper die Flüchtlinge jetzt in völlig untüchtige Boote packen und – kaum gestartet – die Guardia Costiera anrufen, um sie retten zu lassen. Und in den EU-Enklaven wie Melilla stürzen sie sich wie panische Nagetiere über 5 Meter hohe Zäune mit Stacheldrahtbewehrung.

Dazu kann man nun stehen wie man will – mich erinnert es aber fatal daran, dass uns der selige Hoimar von Dittfurth bei unserem zweiten Jugendforum 1986 (!) die Leviten gelesen hat mit den Worten: „Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass Ihr Euch auf Euerer Sattheitsinsel abschotten könnt!“. Fast 30 Jahre her und wahrer könnte es kaum sein.

Wenn man sich unter diesem Blickwinkel die Steigerung der Flüchtlingswelle in den letzten 3 Jahren ansieht und davon ausgeht, dass der Konflikt in Syrien ihn massiv verstärken wird und viele der vorliegenden Zahlen auch schlicht der gesteigerten Medien-Aufmerksamkeit zuzurechnen sind, frage ich mich doch, ob wir uns des Ausmasses annähernd bewusst sind, welches diese Flucht-Bewegung annehmen kann und wird.

Vor allem weil sie die neo-feudalen Strukturen offenlegt, die uns im Inland so wenig auffallen, aber an der Außenhaut unseres Kulturkreises virulent werden. Davon werden wir noch mehr hören. Und haben immer noch nicht die geringsten Lösungsvorschläge zu erwarten. Weil sie folgerichtig an die Substanz unseres Selbstverständnisses gehen würden.

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