Vorhang.

Ich weiß nicht recht, ob er sich hebt oder fällt; über Kambodschas Vergangenheit. Und ob es hierzulande noch irgend jemanden interessiert, dass die Prozesse gegen die Chefideologen und Mörderbrüder Pol Pot’s nun doch noch zu Urteilen führen. Derlei „Probleme“ scheinen ja eher biologisch (also passiv) als legal (also aktiv) gelöst zu werden. Aber als empathisch Miterlebender der Nachbeben dieser unvorstellbaren Tragödie, die fast die Vernichtung einer Jahrtausende alten Kultur zur Folge hatte, sind die ergangenen Schuldsprüche gegen Nuon Chea und Khieu Samphan, die „Nummer Zwei“ und das damalige Staatsoberhaupt eine Genugtuung, die die „SZ“ zu Recht „Ein guter Tag für Millionen“ nennt.

Stellt Euch einfach vor, Euere Grosseltern, Eltern, Onkel und anderen Verwandten hätten sich unter Androhung eines gewaltsamen Todes gegenseitig ins KZ geschickt. Dann wären Euere Tanten dazwischen gegangen und Euere Cousins, Cousinen, Schwestern und Brüder hätten sie, terrorisiert, verraten. Und Euere Kinder sollen jetzt so tun, als wäre nichts gewesen. Und wir reden hier über die Siebziger, nicht über den Weltkrieg.

Schwer zu Glauben das alles, aber wahr. Und ich habe die Geschichten gehört. Zugegeben teils nach viel Alkohol, aber der macht ja gesprächig. Auch aus Mündern, denen ich nicht trauen kann. Was die Sache noch schlimmer macht – denn im Gegensatz zu den Nazis leben viele der Schuldigen noch inmitten der kambodschanischen Gesellschaft; teils an den Schaltstellen; alle wissen es und niemand traut sich aus der Deckung. Weil ein „funktionierendes“ Gemeinwesen das einzige ist, was ihnen geblieben ist.

Nuon Chea ist bei der Urteilsverkündung sitzen geblieben. Er sitzt im Rollstuhl, kann dem Vernehmen nach aber jederzeit stehen. Das ist selbst bei uns eine Missachtung des Gerichts. In Kambodscha ist es ein Zeichen an die Gefolgsleute von damals, zu schweigen bis zum Tode. Also wird es doch biologisch geklärt werden müssen. Aber eine große Erleichterung für junge Kambodschaner (sie machen unter 28 fast die Hälfte der Bevölkerung aus (!) ist es dennoch. Das Zeichen heißt: wir dürfen jetzt darüber reden.

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