Grenzen.

Zwar habe ich viel gelernt in diesen Tagen der Deutsch-deutschen Besoffenheit, z.B. dass das System DDR keineswegs „befreit“ wurde (wer will sich schon von Helmut Kohl befreien lassen?) und auch nicht von oben unter dem Druck des Volkes von unten ein Einsehen hatte oder gar sanft revolutioniert wurde, sondern vielmehr ganz schlicht unter den Umständen kollabiert ist. Ressourcenknappheit, auch in der Argumentation, und die völlige Desillusion des handelnden Personals traf flächendeckend auf eine eher gemütlich installierte Masse von neugierig gewordenen Spießern. Also eher Opportunismus im Angesicht eines Macht- und Entscheidungsvakuums, als Freiheitsstreben oder gar ein „casus belli“.

Keinesfalls will ich den „Helden von Leipzig“ zu nahe treten. Und sicher haben sie den Stein ins Rollen gebracht und nicht die Berliner, die an der Bornholmer Straße „nur ma‘ Ku’damm kieken“ wollten und „Wir kommen wieder!““ skandierten. Man fragt sich nur, wieso das eigentlich fast 30 Jahre gedauert hat.

Das Zucken war kurz, der Eingriff beherzt, der Alltag schnell.

Diese Erkenntnis aber, die in ihrer Banalität in zahllosen O-Tönen und dramaturgischen Bearbeitungen geradezu brutal in meinem Bewusstsein aufschlug nachdem ich mir die Mühe gemacht habe, der Sache nach einem Vierteljahrhundert schwammiger Vorstellungen mit dem nötigen Ernst auf den Grund zu gehen, entwertet jedwede Träumerei von der (Chancen-)Gleichheit der Menschen auf eine so niederschmetternd dumpfe Weise, dass man sich wünscht, das Lüftlein von Freiheit in der vormaligen Ignoranz möge wieder wehen. Aber Wissen lässt sich leider nicht rückgängig machen.

Ebenso eingestürzt ist eine andere Grenze. Nämlich der letzte Funken Hoffnung und Glaube daran, dass die Finanz- und Informationswirtschaft sich in vertretbarem Maße selbst regulieren, den Bösen also ausreichend Gute gegenüberstehen. Doch siehe da: auch an dieser Front wird schnell und gründlich aufgeräumt. Nur das es in diesem Falle die Aufräumarbeiten sind, die einen schockieren. Über 3 Milliarden US$ (das sind 3.000 Millionen) gehen alleine von 5 Banken in USA und GB an diese Staaten (und dort in kaum kontrollierbare Kanäle) um die Manipulationen an den Devisenmärkten „ungeschehen“ zu machen. Und fast 80% der Informationswirtschaft (-kapitalismus kann man angesichts der Kräfteverhältnisse dazu ja nicht mehr sagen) liegt in den Händen einer handvoll Unternehmen, die „größer“ sind als die meisten Staaten der Erde – und sich auch so benehmen. It’s the economy, stupid?

Ich kann weder Börsenkauderwelsch noch sächsisch mehr hören, ohne Brechreiz kontrollieren zu müssen. Und „EGO“ von Schirrmacher treibt mir die Tränen in die Augen. Aber eines bleibt als zarter Hoffnungsschimmer im dunklen Tal des gnadenlosen Materialismus: Wir sind das Volk.

Wir sind das Volk. Vielleicht sollten wir uns daran öfter mal erinnern als alle 25 Jahre.

 

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