Der Biker Benedikt

Von den diversen Möglichkeiten, immer mal wieder neue Zwischendecks auf dem Narrenschiff zu entdecken, gehört das Belauschen von Thekengesprächen zu den alltagstauglichsten, weil der Aufwand gering und die Begleiterscheinungen im Regelfalle angenehm sind. Unsere innere Suchmaschine benachrichtigt uns, während wir etwa mit der Lektüre der Zeitung beschäftigt sind, wenn – beispielsweise durch das wiederholte Auftauchen von Begriffen aus höchst differenten semantischen Sphären im Gespräch der Thekennachbarn – nebenan Hörenswertes, zumindest hinreichend Skurriles verhandelt wird.

Gestern etwa wurde die Aufmerksamkeit dadurch wachgerufen, dass links von mir im Diskurs mehrfach und unüberhörbar „Bandidos“, „Kirche“, „Hell’s Angels“ und „Ratzinger“ kombiniert wurden. Hallo: Bei einer solchen Kombination kann mal schon mal auf den argumentativen Zusammenhang neugierig werden.

Und der stellte sich wie folgt dar: Die beiden Typen in Ledermontur – der eine mit Glatze, der andere mit Tolle –, stritten sich nämlich um die Frage, inwieweit (und welche) Normverstöße von Mitgliedern eines „Motorradclubs“ zum Ausschluss der betreffenden Delinquenten führen sollten. Also Beispiel: Der hat jetzt einen erschossen oder so – soll er jetzt aus der Gang fliegen oder nicht? Wobei der Kahlköpfige eher dem Modell unverbrüchlicher Gruppensolidarität zuneigte („Egal, er bleibt trotzdem einer von uns!“), während die Tolle schwerste Normverstöße wie Mord dann doch als Grenzüberschreitung verstanden wissen wollte, mit der sich der Täter quasi selbst aus der Gruppe ausschließe (nicht zuletzt, weil sowas sonst ja auch dem Image der gesamten Gruppe nachhaltig schaden könne).

Und genau an der Stelle der Diskussion kam nun Glatze zunächst ewas ins Schlingern, konterte dann aber mit dem ultimativen Beispiel: Dass man nämlich an der katholischen Kirche und dem Ratzinger sehe, dass das eben nicht sein müsse, mit dem Ausschluss der gefallenen Sünder: Also in dem Sinne wie jetzt z.B. mit den Priestern und Ordensleuten, die vielleicht mal bei den lieben Kleinen ein wenig zu hart oder zu zart, je nachdem, zugelangt hätten – dass man die eben ja auch nicht rausschmeiße jetzt, sondern nein, da steht ma zu seinen Leuten, da hält der Club zusammen, genau wie die Hell’s Angels beispielsweise ja auch.

Tja, da wetterleuchtet’s im Hirn: Sooo hat man das noch garnicht betrachtet! Unvermutete aber durchaus plausible Gemeinsamkeiten zwischen Feuerstuhl und Heiligem Stuhl, Höllenengeln und Himmelspförtnern. Sakra! Nicht genug: Jetzt fiel der Tolle was ein: „Weißt Du eigentlich“, fragt er seinen unbehaarten Nachbarn, „dass es eine christliche Untergruppe der Angels gibt? Echt: christliche Hell’s Angels!“ Also eigentlich wundert’s mich zu dem Punkt auch schon nicht mehr wirklich.

„Sagt mal“, mischt sich jetzt der Öko vom Ende des Tresens ein: „Sind in eurem Motorradclub eigentlich auch Frauen mit drinne?“ Hätte er so nicht fragen sollen, jedenfalls nicht genau zu dem Zeitpunkt, da die Glatze gerade einen Schluck aus der Pulle nimmt und jetzt natürlich voll über die Theke prustet. „Hey, wir ha’m ja nicht umsonst Brotherhood in unserem Namen! Weil: Wenn wir Frauen im Club haben möchten, dann würd’s ja Sisterhood heißen, kapiert.“

Und da kannst Du mal sehen, denke ich: Noch eine wichtige Gemeinsamkeit mit dem Klerus! Und jetzt mal Dir mal aus, wo das noch hinführen kann, wenn man diesen Vergleich konsequent weitertreibt…

hs

Ein Gedanke zu „Der Biker Benedikt

  1. Hermann, im Ernst: absolut grossartig. Wir fahren nach Ostern das Ei mal niveaumäßig nach oben, denn der Kessel Buntes macht zwar Spass und übt ganz nett, aber wir sehen nicht so aus, wie wir heissen, wir produzieren derzeit noch nicht, was uns wirklich bewegt und wir wissen nicht wirklich, was wir wollen. mMcht aber nix. Weil ich mir das sowieso als organischen Prozess vorstelle. und nicht als einen „optimierten“.
    Love,
    R.

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