Dynamit in Kinderhand!

Als erste Reaktion auf den Architekten-Lokations-Beitrag gab es einen nächtlichen Anruf einer aufmerksamen Leserin, die folgende, wunderbare Geschichte zum Thema beisteuerte, die hier sogleich wiedergegeben werden muss:

Münchener Straßenbahn. Im Doppelsitz gegenüber eine flotte Oma, neben ihr am Fenster ein hübscher, etwa siebenjähriger Junge, der hoch konzentriert aus dem Fenster schaut und mit ausgetrecktem Zeigenfinger im Vorbeifahren fiebrig auf jedes der vorbeifliegenden Gebäude tippt. Bei ungefähr jedem vierten Gebäude in der Münchener Innenstadt macht er ein aufsehenerregendes Geräusch, so nach dem Modell „Bchrrrrrrrr!“ und „Bfrrrfff!!!“.

Was er denn da mache, fragt die Erählerin die attraktive Oma. Nun ja, sagt die Dame, sie sei mit dem Enkel ein wenig durch die Fußgängerzone spaziert, er habe nach den Gebäuden gefragt, nach ihrer Geschichte, sie hätten sich über die Unterschiede unterhalten und die Anmutung, sie habe ihm ein wenig erzählt von der Zerstörung, vom Wiederaufbau, von dem was sie für gelungen halte und was nicht. Er habe ihr erzählt, was ihm gefalle und was nicht. Wie das halt so geht. (Oder leider viel zu selten geht: Angehörige unterschiedlicher Generationen tauschen sich ernsthaft und interessiert über fundamentale ästhetische Fragen aus!) Irgendwann, gesteht die Dame, habe sie sich wohl zu einer Bemerkung derart hinreißen lassen, sie finde, das gerade besprochene Gebäude gehöre gesprengt und anders, besser, wieder aufgebaut.

Der Junge hatte nun, offenkundig begeistert von dieser Idee, auf der Trambahnfahrt durch das so vielgerühmte München, ein Spiel daraus gemacht, das er mit großem Ernst und kindlicher Würde betrieb. Er betrachte im Vorbeifahren die Stadt mit der Brille des neu erworbenen ästhetischen Modells, identifizierte und eliminierte alles, was aus dieser, seiner neuen Sicht da nicht hingehörte.

Die Erzählerin berichtet, dass sie sich daraufhin insgeheim, ohne die Konzentration des Kleinen zu stören, an dem Spiel beteiligte. Und fand sich überrascht über die ausnahmslose Übereinstimmung. „Du glaubst es nicht: Diese Kind… Jeder Schuss ein Treffer!“

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