Mensch Romeo, Digger.

Gestern im Schauspielhaus.

2. Rang, Romeo und Julia.

Der erste wirklich warme Tag des Jahres; gefühlte 5 Gymnasialklassen samt Lehrkräften einherlärmend, alle pollenverseucht, schlechte Luft von den Abo-Bürgern weiter unten und der säuerliche Dampf schlecht gewaschener Fast-volljähriger.

Deutschlands größte Sprechbühne öffnet den Vorhang auf die unfassliche, fast leere Tiefe des gesamten Bühnenraums. Erdfarbenes Linoleum-Patchwork auf einer leicht ansteigenden Fläche, spärliches Licht, dahinter geahnte Abgründe. In einem versenkten Rechteck kräuselt sich menschliches Gewürm zu glitschigen Schleimklängen.

Atemloses Geflüster der Schüler, unisono: ‘geeiil!’ – nur die semi-türkische Streberin hinter uns (und neben dem Deutsch-Leistungskurslehrer natürlich) haucht ‘niice!’.

Der meiste Rest ist schwer gekürztes, kaltes, neo-realistisches Regietheater mit der über allem schwebenden Drohung des Regisseurs -eines gewissen Herrn Schumacher- sich bloß nicht in Empathie zu ergehen. Entsprechend kühl und ent-alexandrinert die Dialoge; kalkulierte Modernisierung der gaanz alten Schule, die in der völlig unnötigen Pause von frisch der Pubertät entwachsenen mit Kommentaren wie ‘war ja gar nicht so schlimm wie ich dachte’ quittiert wird.

Was in der ersten Halbzeit noch durch sehr physische Einlagen des Chores (hier: ‘Die Brut’ als unsubtile Mischung aus Armani-Models und gel-gescheitelter Hitlerjugend) und mit Szenenapplaus bedachten Klimmzügen eines schluderhaften Romeos am Speedkletterer-Balkon kinetisch gehalten wurde, versandet in der zweiten zu Schalke vs. Bayern ohne Robben-Tor. Bis uns klar wird, dass die ‘Brut’ da unten wohl Mitschüler sind, die entsprechend unterstützt werden. Also doch 1:0 für die Capulets.

Magath verliert trotzdem, weil das Unentschieden (3:3 nach bodycount) kein Wunschergebnis ist, obwohl der Rasen makellos und die Protagonisten bemüht waren. Ein Elfmeterschiessen findet nicht statt.

Ach so, ja, Julia: keine Entscheidung zwischen pampiger Göre und postmoderner Theaterbraut zu erkennen – insofern bedeutungslos.

Da sei der Fürst von Verona vor: ‘Nur düstern’ Frieden bringt uns dieser Morgen; Die Sonne scheint, verhüllt vor Weh, zu weilen. Kommt, offenbart mir ferner, was verborgen; Ich will dann strafen oder Gnad’ erteilen; Denn niemals gab es ein so herbes Los, als Juliens und ihres Romeos.’ (Alle ab.)

Und wieder danteskes Gewürm. Zur Erinnerung wohl. Danke, wir haben verstanden.

‘Ein wenig Schwärmerei möcht schon sein’ (Heine)

R.

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