Four Lions! More Lions!!!

Was auch immer der Grund dafür sein mag, dass der britische Humor so einzigartig ist; er benötigt jedenfalls für seine anarchisch-brachiale Art, Aufklärung zu betreiben, als Gegenüber und Treibstoff  möglichst verfestigte, verknorzte Strukturen des Denkens und Verhaltens – und findet daher eben auf der Insel sein ideales Biotop.

Bei uns würde der britische Humor sich aus den genannten Gründen wahrscheinlich am ehesten tief in Bayern niederlassen. Womit wir auch schon bei der CSU wären und ihrem MdB Stephan Mayer, der im Vorfeld (bei welcher Gelegenheit hat der eigentlich, wenn überhaut, Ewigkeiten vor der Deutschlandpremiere den Film gesehen?) sich bei SPIEGEL-TV zu „Four Lions“ derart geäußert hat, dass man bedenken müsse, ob der Film nicht „Öl ins Feuer gieße“, was dann so interpretiert wurde, als wolle er den Fim verbieten lassen, faktisch aber als Werbeaktion wirkte (danke!) und man kann sich selbstredend fagen: Wer steht hier eigentlich auf wessen Payroll? Davon abgesehen wäre es natürlich interessant zu erfahren, was inhaltlich eigentlich gemeint war: WESSEN Öl in WELCHES Feuer?

Denn, um mal eines der Prinzipien von Jean Brasse zu verraten: Es kann manchmal ungeheuer produktiv sein, von der Annahme auszugehen, dass Leute, die was gesagt haben (wie in diesem Falle der MdB Mayer von der CSU), nicht 100% so doof sind, wie man geneigt ist, unmittelbar nach der Rezeption ihrer Äußerungen anzunehmen. In diesem Falle könnte das etwa zu der Schlussfolgerung führen, dass der Abgeordnete Mayer „intuitiv“ erfasst hat, dass der – um es frank und fei zu sagen– geniale Film „Four Lions“ nicht nur einfach „Muslime“, „Islamisten“ oder wie immer man die entsprechende Klasse von menschlichen Individuen sprachlich klassifizieren mag, der Lächerlichkeit und dem entsetzten Erkennen ihrer Monströsität preisgibt, sondern anhand des Modells „(Möchtegern-)Islamisten“ beispielhaft vorführt, dass „Gläubige“ jeglicher Provenienz unter hochfrequentigem Hirnversagen leiden und buchstäblich und mit der absurdesten Konsequenz fähig sind, Unheil über sich und andere zu bringen. Und jetzt könnte es ja sein, dass nach Rezeption des Films jemand mit dieser Erkenntnis ausgestattet nach Bayern oder überhaupt in die Welt hineinblickt – und wer weiß, was das wieder für Folgen hat.

Die unabweisbare Wahrheit, dass „Glauben“ und „Vertrauen in eine höhere Instanz“ Folgen zeitigen, die für die unschuldig Betroffenen absolut tödlich sind, wird ja im Film wiederholt auch anhand des Verhaltens der Polizei vorgeführt. Das fantastische Drehbuch hätte, und darüber kann man beim Anschauen des Films eigentlich zu keinem Zeitpunt zweifeln, genauso auch mit fundamentalistisch-republikanischen Abtreibungsgegnern in den U.S.A. oder jedem anderen Deppenverein all around the globe funktioniert.

Das eigentliche Wunder an diesem Film ist allerdings – bei allen schreiend komischen Gags – die Feinheit der Abstufungen, die er sich leistet, wenn es darum geht vorzuführen, wie viele unterschiedliche Varianten zum Thema „Glauben“, „Überzeugungen“, „Autoritäten“ einerseits und Handeln sowie Emotionen andereseits es gibt. Geradezu von shakespearschem Rang ist die Szene, in der Omar, im doppelten Sinne „Kopf“ der Attentäter, letztlich erfolgreich versucht, seinen debilen Genossen durch die Umkehrung der Metaphorik von „Herz“ und „Verstand“ ins (Selbstmord)Attentat zu treiben. Was am Ende bleibt, ist ein Wahnsinn, der eben nicht, wie in den unseligen Hollywood-Serienmörder-Filmen, ein beruhigender, weil exzeptionell-pathologischer, abwehrbar fremder Wahsinn ist, sondern die Gleichsetzung vom Menschlichkeit und Wahnsinn. Fantastisch hierzu die Rolle von Omars Frau, als selbstbewusste, „emanzipierte“ Muslimin, die gleichwohl ihren Mann als „Helden“ (also: tot) verehren möchte. Auf derartige Feinheiten einzugehen, würde Seiten füllen.

Fazit: Dem Film geht jegliches Phänomen, das nur im entferntesten als Denkverbot fungieren könnte, am Arsch vorbei – was naturgemäß dazu führt, dass man von denen, denen die Denkverbote ein Anliegen sind, nicht gerade Freundschaftsangebote erhält – und Chris Morris als Brite zieht das eben in einer Konsequenz und Gelassenheit durch, wie weiland wohl nur noch General Schwarzkopf seine Schuhverkäufe an die eigene Armee. Genau deshalb kann er, Morris, islamistische Attentäter als zutieftst menschlich darstellen und das heißt, als Wesen, die schon zerrissen sind, bevor die Sprengladung an ihrem Körper explodiert. Menschliche Wesen sind eben zu allem fähig– im Guten wie im Bösen. Menschen sind zu jedem Opfer (im doppelten Sinne des Wortes) bereit, wenn sie nur was glauben – und weiß Gott: Offenbar will der Mensch glauben (und sei es auch nur, dass er glauben will, er wisse, was im Kopf eines Islamisten vorgeht). Und da sie alle irgendwas glauben, die Menschen, sind sie extrem gefährlich – und extrem lachhaft.

Viele Kinogänger werden bei „Four Lions“ einfach nur ihren Spaß haben, manche werden noch viel mehr davon haben. Für mich jetzt schon Rubrik „Kult“.

Ein Gedanke zu „Four Lions! More Lions!!!

  1. Ich ziehe meinen Hut, traue(re) mich nicht mehr über St. Pauli zu schreiben und frage mich, wohin, wenn nicht in den Feuilleton der Süddeutschen das noch führen soll. Ja, Kult.
    R.

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