Barbarei 2.0 – fluctuat.

War was? Es ist schon erstaunlich, dass die Börsen an Tagen wie diesen STEIGEN. Der Dow Jones gleich um 1,4% – das sind Milliarden. Und um es gleich vorweg zu nehmen und Missverständnisse zu vermeiden: Nein, ich bagatellisiere die Geschehnisse in Paris keinesfalls. Mich als dort Aufgewachsenem haben diese barbarischen Akte vielleicht sogar mehr getroffen als andere, die sich vor allem um eine sichere Heimkunft der Deutschen Nationalmannschaft gesorgt haben.

Ökonomisch ist ja eigentlich kein Schaden entstanden, also wieso auch? Kein Finanzzentrum wurde getroffen, keine Ressource, keine Fabrik, kein Vertriebsweg, kein wichtiger Politiker. Die Asymmetrie der Angriffe hat lediglich wahllos zivile Opfer gefordert und die Hilflosigkeit der Staatsmacht gegenüber solchen Attacken offenbart; die Infrastruktur der Wirtschaft jedoch verschont. Oder sogar beflügelt, nämlich dahingehend, dass nun massiv aufgerüstet wird – von Computern über Sicherheitstechnik bis zu Waffen. Von den Ausgaben für zusätzliches Personal und Kommunikation ganz zu schweigen. Das ist Kriegsgewinnlertum in Binnenmärkten und mit internationaler Vernetzung. Und wer weiss schon, dass Syrien keine Schulden hat. Die ARD scheinbar nicht. Und die anderen (ARTE ausgenommen) überschlagen sich in Sondersendungen, die nachplappern, was andere nachplappern. Als nächstes kommt der CSU’ler um die Ecke, der schnappt, das „sowas von sowas“ kommt. Ich ertrage das kaum mehr.

Pro Tag sterben der WHO nach etwa 2.000 Menschen an Malaria. Und wo früher alle 15 Sekunden ein Kind an Hunger starb, dauert es jetzt nur noch 10 Sekunden (WFP). Dazu gibt es aber kein „Tagesschau Brennpunkt“. Der müsste ja auch jeden Tag – oder jede Stunde – stattfinden.

Bitte versteht mich richtig: ich finde die barbarischen Akte in Paris ebenso abstoßend wie verdammenswert. Aber um ein wenig Augenmaß in Bezug auf den weltweiten humanen Kontext möchte man schon bitten. Vor allem, wenn für internationale, rasant abgestimmte Rachemassnahmen und den weltweiten „Krieg gegen den Terror“ massive Mittel bewilligt und „en passant“ grundlegende Bürgerrechte ausgesetzt oder zumindest nachhaltig in Frage gestellt werden.

Anders ausgedrückt: im Paris der ersten 50 Jahre des 17. Jhd. sind etwa 2 Millionen Menschen gestorben; das sind etwa 100 pro Tag. Vor der Revolution. Danach noch mehr. Für eine im Vergleich zu heute kleine Stadt eine ungeheuere „mortalité“. Aber da war die Stadt der Liebe ja auch nur, äh, eine der größten und weitest entwickelten Städte weltweit. Mit großen „Banlieues“ – was nichts anderes heisst als „Bannmeilen“. Fluctuat nec mergitur* – so der Wahlspruch der Pariser. Wollen wir hoffen, dass die Rechte ihrer Bürger – und die der ganzen „Grande Nation“ – nicht weiter ins Schwanken geraten.

Ich jedenfalls werde mich wieder auf den Weg machen – dahin, wo Menschen an Hunger sterben.

*Fluctuat nec mergitur – Sie schwankt, jedoch sie geht nicht (nie) unter.

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