Nach 2 Monaten in Laos und nunmehr 2 Monaten zurück in Deutschland fehlen mir die Worte. Ich dachte, viel zu erzählen zu haben, nach den eindrücklichen und beglückenden Erlebnissen mit den jungen Menschen, die ich dort unterrichten durfte. Stattdessen verstummte ich im Angesicht der Unzufriedenheit, die mir in U-Bahn-Gesichtern, Kneipengegrummel und Kassenband-Motzerei entgegenschlug. Üppige Alimentierung scheint jedenfalls nicht zu persönlichem Glück zu führen – denn eines sind wir hier in diesem wohlstandsverwahrlosten Land auf jeden Fall: bestens versorgt.
Offensichtlich hat das aber keinerlei Wirkung auf den subjektiven Zustand seiner Bewohner. Man möchte im Angesicht all dieser Verdrossenheit, erfundener Probleme und irrelevanten Irritationen fast zu so alten rethorischen Mütter-Mitteln wie „Weisst Du eigentlich, wie es den kleinen Kindern in Afrika geht? Nein? Also ess‘ auf, denn die müssen hungern!“ greifen. Hilft aber nix, denn diejenigen, die man mit derlei Gedankengut konfrontieren möchte haben gerade eben mit ihrem Smartphone per Paypal 5 Öcken an eine Crowdfunding-Site zur Rettung irgendwelcher Orang-Utangs in irgendeinem Land, das so ähnlich, also glaubwürdig klingt, gespendet. Und sich damit nicht nur ein gutes Gewissen, sondern auch ein Stückchen Glaubwürdigkeit in asozialen Netzwerken erkauft. Wie Extra-Waffen für Fortnite – nur in nett.
Viele Rückkehrer aus Asien beklagen bei ihrer Rückkehr den krassen Temperaturunterschied (wobei es da, wo ich war, also in 850 m. Höhe doch recht frisch zuging) – ich jedoch ertrage den Verfall der Lächelrate nur schwer. Von 180 lächelnden Gesichtern pro Tag auf unter 10 ist schon ein harter Beschnitt der Lebensqualität. Denn darum geht es: sich wahrgenommen, willkommen, geachtet und damit wohl zu fühlen. Scheint hierzulande aber niemanden zu interessieren. Warum nur? Es ist so einfach. Und tut so gut.
Naturgemäß ist alles relativ – also auch die Gründe für Unzufriedenheit. Innerhalb von 3 Wochen keinen Termin beim Facharzt zu bekommen mag ärgerlich sein – kein Arzt weit und breit ist aber auch Scheiße. Täglicher Stau auf der Pendlerstrecke ist bestimmt nervig – wenn einen das System dazu zwingt, den besserbezahlten Job zur Finanzierung des Eigenheims in 60 KM Entfernung anzunehmen. Gar keinen Job zu haben kann da helfen. Dann macht man sich in der Nachbarschaft nützlich. Und die ewige sucherei nach Parkplätzen entfällt. Und sich von Flüchtlingen bedroht zu fühlen ist bestimmt ein mieses Gefühl – mit ihnen zu kochen aber ein gutes. Ebenso wie schnacken statt tindern, giggeln statt glotzen und sharen statt checken.
Zu alledem kommt die obsessive Beschäftigung mit Politik. Ein Phänomen, das erst dem Rückkehrer nach 2 TV-freien Monaten gewahr wird. Denn erst wenn man eine zeitlang völlig entbunden von den Implikationen des Regiertwerdens verbracht hat, fällt einem auf, dass selbst ein so zutiefst undemokratisches Land wie Laos zumindest im Alltäglichen in der Lage ist, seine Bürger in Ruhe zu lassen, statt sie permanent mit dem Scheitern ihres Partizipationsmodells zu behelligen.
Geist. Hier fehlt es daran in jeder Straße, in jedem Laden, jeder öffentlichen Fläche … und meist auch in Gesichtern, Gebahren und Gesprächen. Selbst simple Gemüter – oder gar Animisten, wie es viele Laoten sind – geben sich dort Mühe, diesen Teil des „Seins“ nie zu vernachlässigen. Einfach, weil es zum Menschsein gehört, das Immaterielle zu würdigen und dem nicht sichtbaren Teil der Welt einen Platz zu lassen; im Herzen, in der Zeit und anderswo. Schließlich ist es ja das, was uns wohl von den Tieren unterscheidet.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass jede Stunde die freudlos in diesem, unserem Lande über die Runden gebracht wird, schlicht verlorene Zeit ist, die ich nicht mehr bereit bin, mies gelaunten, gesättigten, humorlosen und materialistischen Zeitgenossen zu opfern. Mein soziales Netzwerk sind Menschen, die noch wissen, dass sie welche sind.