Reisen.

Moin.
So, jetzt aber mal genug mit dieser Trübsalblaserei.
Traut sich ja keiner mehr, draufzuschreiben, auf diesen Haufen Desillusion.
Habe beschlossen, dass mir die blöden Bayern wurscht sind und das ich dort rauchen werde, bis ich festgenommen bin.
Aber die Aktualität ist ja zugegebenermaßen eher morose.

Wäret ihr hingegangen.
Wäret ihr nicht hingegangen.
Waeret ihr gefangen.
Haettet ihr gehangen.
Also wohin?

Nun, wir werden nach Laos fliegen. Ja fliegen, und unsere bisher vorbildliche Ökobilanz schwer schädigen. Aber ich habe heute in einer kleinen Sackgasse ohne Grundstückszugang das große, teure, einbetonierte, witterungsbeständige Stahl-Schild „Kein Winterdienst!“ gesehen. Insofern mach ich mich locker.

Mein Bruder will seinen Kindern Afrika nahebringen, bzw. das Fremde an sich, nehme ich an. Als typischer Südafrika-Einsteiger mit höchst komfortablen Erinnerungen an 0 Zeitverschiebung, geleckte Straßen, vom Ufer sichtbare Wale, gutes Essen und bestens organisierte Bed&Breakfasts mit Mobiltelefonanschluss und Internet-Site, empfahl ich zunächst ebendies. Das war ihm zu recht zu einfach. Also kamen Sambia (?), Tansania, Mozambique, Madagaskar und Sansibar ins Spiel. Damit hat er impulsartig den Abenteuerer in mir geweckt. Seitdem vertiefe ich mich in die Aufteilung und Topographie der Ostküste Afrikas. Da überkommen einen Wallungen von Peinlichkeit, weil man ja keine Ahnung hatte; Beschämung ob der Unkenntnis über Lage, Kultur, Situation und Zustand, Staunen über die Dimensionen, die unerschlossenen Gebiete und dazu völlige Analphabetie in Bezug auf die lokalen Sprachen. Wow. Ziemlich schwach.

Worum es mir beim Reisen wohl immer wieder geht, ist, die Fremde dahingehend auszuloten, dass man selbst etwas mitnimmt außer Erinnerungen. Etwas, was Farben verändert, Perspektiven verschiebt und die Wahrnehmung auf Jahre hinaus infiltriert. Wenn wir also nach Laos fliegen, über Bangkok nach Vientiane, Vang Vieng, Luang Prabang, Muang Ngoi Neua, Pakse, Champasak (What Phou) und Si Phan Don (soll Euch neugierig machen), dann wünschen wir uns nicht nur Veränderung im Äußeren.

Falls irgend möglich werden wir mit dem Bus reisen und – ausser den Flußpassagen – das Moped wählen und zu Fuß gehen. Viel und lange. Wo und wie hängt dort von der Witterung und der Marktlage ab. Und wenn da grade keiner Bock hat, dann geht da nix. Insofern soll die „Planung“ nur ein Minimum an Kontrolle simulieren, die abgesehen von Vorbereitungen zur Kultur, grundlegend sinnlos ist.

Endlich wieder ein Abenteuer. Nicht wissen, was einen erwartet. Sich hintrauen, 10 Jahre vor den Anderen. Wie in Vietnam und Cambodscha geschehen („Duch“ endlich hinter Gittern. Wir haben ihn sozusagen noch in Freiheit erlebt und sein Foltercamp besucht). Unlöschliche, nicht reproduzierbare Eindrücke aus der Zeit, bevor die Globalisierung zuschlägt. Bevor die Faust des aufkommenden Wohlstands trifft. Mitten in die Leber der Aufstrebenden. Wovon sie sich, aber nicht die Gesellschafter, ergo das Volk, erholen.

Wir freuen uns schon so auf die Erkundung eines Landes, dass keine Küste besitzt aber den größten, besten Teil des Mekong; das mit Vientiane die wahrscheinlich beste und günstigste Feinschmeckerdestination abseits ausgetrampelter Pfade bietet, das Flächenbombardements der allerhöchsten Militärordnung (also jenseits der Genfer Convention) über sich ergehen lassen musste (mehr als der zweite Weltkrieg) und deshalb dünn besiedelt und von der globalisierten Welt noch abgeschnitten ist, aber die Größte Dichte an Naturreservaten und -Wundern in ganz Südostasien hat. Und die friedlichste Gesellschaft überhaupt.

Vielleicht verhält es sich da so ähnlich wie mit der Mauer. Wo der Mensch kaum mehr Einfluss genommen hat, entwickeln sich ganz eigene, lebensfähige Ökosysteme. Was mal wieder beweisen würde, dass Homo Sapiens wirklich so etwas ist, wie eine Krankheit. Die sich nach unserem bisherigen Wissen allerdings bisher nur ein Planet eingefangen hat.

Sabaidee!
R.

http://www.iexplore.co.uk/city_guides/Laos/Vientiane/Food

Ein Gedanke zu „Reisen.

  1. Oh ja: Die Fremde. Das Fremde. Da müssen wir hin. Damit wir das Eigene entdecken können. Ansonsten: Das total Fremde kann man ja auch (nee: sowieso nur) entdecken, wenn man sich mal „ernsthaft“ mit seinem Nachbarn unterhält. Aber da wollen wir natürlich nicht hin. Weil: zu wenig wieder das Eigene. Genauer nochmal: Die Erfahrung der Abgründe von Differenz lässt sich nur innerhalb des Gartenzaunes machen. Wirklich Erfahrung außerhalb des Grtenzauns heißt in der Regel: man stirbt oder wird assimiliert. Will man aber meistens vermeiden. Deshalb Urlaubsregel Nr 1: Das Jenseits des Gartenzaunes professionell auf Akzeptables hin abgrasen: Exotik, Folklore, Sich-Selbst. Deshalb Urlaubsfernreisen so angenehm. Hinterher kann man dann von sich erzählen, eingehüllt in fremde Gewänder. Selbst Marco Polo, Chris Colombo, Vasco da Gama und auch Margeret Mead immer: Selbsterzähler. (Lévi-Strauss und Mary Douglas Sonderfälle. Chapeau). Ehrlich: Fernreise (= mehr als 20 km) als Vergnügen setzt aktive Ignoranz und Narzissmus voraus. Ansonsten Selbst- und Fremdtäuschung vorprogrammiert.
    Das ist jetzt übrigens nix gegen den Autor. Aber: Differenz zu anderen Kulturen beobachten zu können und dann daraus auch noch einigermaßen relevante Schlüsse ziehen zu können würde ja notwendig voraussetzen, dass man die eigene Kultur hinreichend zu beobachten, beschreiben und analysieren in der Lage wäre. Deshalb ist der Mehrheit zu empfehlen: Cluburlaub, weil: Da kann man wenigstens das üben. Verträglichkeitsbedingung: Hinterher nix über „fremde Kulturen“ etc. erzählen und auf keinen Fall Schnappschüsse zeigen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert