Wintermärchen

Itzt, da hinter Rosenheim die ersten Bergkuppen schon ein erstes Schneekäppchen aufgesetzt haben, das angesichts des Kalenders ungefähr so attraktiv erscheint wie ein aktueller Bayern-Freistoß (also wahlweise voll daneben oder unentschlossen in die Eier der mauernden Abwehrmauren), itzt also, wo sich uns der Winter schon so vorlaut ankündigt mit all seinem Unbill, sei als Trostlektüre und Gegengift ein Roman empfohlen, der sich erzählt wie sonst nur das Wetter im Bunde mit dem Klima: Ist’s Winter, hat’s Schnee und hat’s Schnee, is‘ kalt – und dann passiern‘ halt solche Sachen… Zumal in abgeschlossenen Bergtälern der Alpen, sowieso im 19. Jahrhundert, wenn irgendwo in den Alpen ein fahler Fremder ein Repetiergewehr aus dem Westen dabei hat (ja genau, aus dem Western-Westen) und es einen Grund zur Rache gibt, der selbst den Yogi wieder zur Ghurka greifen ließe…

Thomas Willmann hat mit „Das finstere Tal“ einen Erstling geschrieben, der mit einer geradezu unverschämten Unbekümmertheit Erzählmuster von Italo-Western, Clint-Eastwood-Filmen, europäischen „Trivialromanen“ des 19. Jahrhunderts und (stellenweise) der kristallinen Härte eines Cormac McCarthy zusammenrührt – mit dem Effekt, dass dabei ein Text entsteht, dessen Lektüre einem finstere Abende kurzweilig werden lässt. Wer mehr will, findet darüber hinaus schöne Stellen, die zur Reflexion über die paradoxen Beziehungen von Gewaltanwendung, Duldung, Selbstachtung und Freiheit einladen. Und an manchen Stellen hat die Prosa von Willmann einen Rhythmus, der ahnen lässt, dass der Autor von Haus aus Musiker ist.

Ach um wie viel schöner solch ein Buch zu lesen, als den hundertsten Schmarrn mit irgendwelchen Aktualfrustriertmittelstandsverwirrtvergangenheitsangearschtgegenwartsirritiert–hilflosphilosophischdesorientiertsexuellinversersautistischpseudokritisch-gescheitertenLITERATURNORMFIGurN lesen zu müssen/sollen…

P.S. Der Literaturkritiker einer „großen“ Tageszeitung“ hat ihn recht verrissen, den Willmann, und – danke – da dacht ich mir: den schaugst dir o! Weil, es ist ja so: Literaturkritik ist – genauso wie Religion – nicht per se uninformativ: Sie ist es ja nur dann, wenn man an sie glaubt.

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