Mwa Suu.

Dear Mwa Suu,

please excuse my empathetic personal addressing. It is with the greatest respect that I congratulate you to half a century of relentless fighting for the freedom and peace of your people, the henceforth hopefully united union of the Burmese society. As it seems, you have taken your country onto a majoritarian ride against oppression and misconduct; possibly magnanimously leaving behind Groce violation of civil ethics and the systematic violation of human rights by the „former“ regime. This kind of achievement was never before accomplished in one overwhelming voting sweep in history. Your personal engagement and striving vision of a democratic self-government and the graceful reconciliation with your jailkeepers is worthwhile to be a role-model for many countries in similar despair. I therefore praise your patience, your energy, your focus, your balance and hope for the best for the negotiations you will be confronted with in the near future. The old guard will not give in easily. And trouble lies ahead. But nothing less than „the people“ love you.

 

PortrÊt af den burmesiske oppositionsleder Aung San Suu Kyi. Hun er fotograferet i sin bungalow i Rangoon, Burma.

And so do we.

Gedankenflüchtling.

Wir schauen uns das also an. Wohlwollend und kritisch. Sehen zu, wie andere erste Massnahmen ergreifen und wir erwarten, zeitnah informiert zu werden, wie sich das entwickelt. Beobachten spontane Hilfsmassnahmen, überforderte Beamte, Politiker, die die Mitte suchen, Gutmenschen mit Zeit zu helfen und Halbherzige, die sich den Gang zur Altkleidersammlung oder den Wertstoffhof ersparen. Mit Karmabonus natürlich. Die vage Hoffnung nährend, später, dann wenn es darauf ankommt, aktiv zu werden; sollten wir je den Arsch hochkriegen. Denn das würde ja bedeuten, zu verzichten. Auf Zeit, Geld, Energie oder Status – von Urlaubstagen nicht zu reden. Also palavern wir über das für & wider von „Wir schaffen das“, über die „Kapazitätsgrenzen“; aber nicht wirklich über die Flüchtlinge selbst. Kennst Du einen persönlich?

Das vornehmliche Problem liegt darin, dass sich Weltparameter, die wir gelernt haben, rasant verschieben. Und sowas ist nicht jedermanns Sache. Erspürt wird das Problem der Auflösung von Nationalstaaten zugunsten grenzenloser Material-, Wirtschafts- und Informations-Ströme schon. Dass der Träger – der Mensch also – auch wie durch eine globale soziale Membran diffundiert, erscheint da nur logisch. Und dass der Krieg ein Dauerzustand ist und bleiben wird in dieser Welt, mag von manchen erahnt werden. Daraus folgt aber im Einzelnen meist ein Gefühl der Hilf- und Machtlosigkeit, dass derart lähmend ist, dass wir uns fragen müssen, ob wir eigentlich noch Anteil haben an unserer Spezies. Oder ob unser Wissen über das, was wir selbst leben uns blind macht für das Schicksal anderer. Blind machen muss. Vor dem Fernseher kann jeder heimlich schluchzen. Und sich an der Hilfsbereitschaft anderer erfreuen auch. Das Ergebnis ist dasselbe: Tränchen verdrücken und sich dann etwas besser fühlen. Wie bei Harry Potters Basilisk: schaust Du ihm direkt in die Augen, bist Du tot. Durch eine Brille, einen Spiegel oder eine Pfütze gesehen, verwandelt er dich nur in Stein.

Die dünne Kruste der Kultur über dem brodelnden Vulkan, den wir unsere Heimat nennen und der mit jeder weiteren Entdeckung aus Astrophysik, Teilchenforschung und Genetik unwahrscheinlicher erscheint, sollte bewahrt bleiben und verteidigt gegen die, die davon profitieren, dass sie weiter ausgehöhlt wird. Was für ein ruchloser Plan ist es nur, dass Menschen andere opfern für ihre politischen Machenschaften? Sie kontigentieren, administrieren, ausweisen, zuweisen, nutzen, benutzen, ausnutzen, versklaven? Oder für puren Profit nicht nur die Menschen sondern dazu noch die Umwelt in der sie leben zerstören? Ihnen damit ihre Zukunft rauben. Und demnach indirekt auch unsere.

Oh ja, wahnsinnig langweilig. Binsenweisheiten. Aber als Entscheidungs-grundlagen sehr wirksam. Und extrem virulent. Auch wenn es eine riesige Gelegenheit ist, Le(e)hrstellen zu besetzen und eine gigantische „business opportunity“ für die Personalwirtschaft ebenso wie für die Waffenhändler. Die paar Rettungsvesten-Händler in Izmir fallen unter die Kategorie „Wertstoffhof“.

Das klingt alles sehr banal aber zur Basis des humanistischen Gedankens sollten wir ab & an zurückkehren um uns zu orientieren. Auch und insbesondere, wenn man sich die „westlichen Werte“ an die Brust heftet – offen oder heimlich. Ich jedenfalls werde mich nunmehr wieder engagieren. Hier, oder in Kambodscha oder anderswo. Manches ist zeitlich opportun, anderes macht gerade in der Fremde Sinn, noch anderes macht … doch auch mal was.

Denn die Ströme sind es, und nicht die Nationen.

Bis einer kotzt.

Wir Deutschen werden ja gerne bezichtigt, alles sehr gründlich zu betreiben.

Denken, entwerfen, konstruieren, verwalten, leider auch vernichten. Und das scheinbar zu Recht – auch wenn wir uns dagegen wehren und „ins Feld führen“, dass es doch nur Sorgfalt, Planung und Voraussicht ist, die den Eindruck vermitteln, wir würden Dinge, die wir unternehmen und Massnahmen, die wir ergreifen, bis zum Exzess betreiben. Denn es fällt derzeit wieder auf, mit welcher Gründlichkeit wir uns des Themas Ein- und Zu-, bald nur noch -Wanderung annehmen. In jedem Gespräch, auf allen Kanälen, Sendern und und in zahllosen Sonderformaten wird versucht, aus einem Ausnahme- einen Normalzustand herzustellen, der – wie ich fürchte – keineswegs der Einstellung der damit angesprochenen „Bevölkerung“ entspricht. Denn die meint ja immer noch, das sie es ist.

Damit einher gehen der Benennungswahn, die Zählungen, die gefälschten Statistiken; über Massenmedien an eben jene verbreitet, die nur einen Hauch von Rechtfertigung benötigen, um niedersten Ressentiments freien Lauf zu lassen. Die Antwort kann nur sein, dass man uns wohl penetrant vor Augen führen muss, dass wir längst ein „Ausländerland“ sind, dass die letzte Vielfalt in unseren Großstädten von eben jenen betrieben wird, und das manch einer über den Verlust des „Gemüsetürken“ oder des „Stammitalieners“ trauriger währe als über das dahinscheiden der eigenen Oma. Ja, viele vom Rest sind Rentner.

Insofern sind die Flut an Berichterstattung, die Archivausgrabungen, die Freundlichkeitsberieselung und die nervtötenden „Specials“ zwar nützlich – aber eben in beide Richtungen. Die kulturelle Selbstverständlichkeit von Gastfreundschaft bleibt auf der Strecke, wenn was Normalität sein sollte zum „Brennpunkt“ in den Medien wird. Der Focus muss zum gelebten Alltag zurück und der Versuchung widerstanden werden, aus immer neuen Zahlen Realitäten zu schaffen, die der Einzelne im Alltag so gar nicht erlebt. Aber der allgemeinen Meinung entkommt niemand, der auf sie angewiesen ist, um innerlich eine Entscheidung zu treffen. Ob er/sie dafür sind, dass die Armen kommen oder nicht, wird erstmal wenig daran ändern. Aber wenn es dann darum geht, zu erziehen, zu integrieren oder zu assimilieren? Bzw. den steinigen Weg dazwischen. Da wird sich dann zeigen, was im Vorfeld (und in dem sind wir immer noch) von Wortführern angerichtet worden ist.

Folgerichtig sollten sich die Medien mit Hilfe ihrer avancierten Recherche- und Analyse-Tools endlich der Verantwortung stellen, die sie haben. Denn sie werden diese Schlacht um die Identität der Nation aufnehmen müssen und prägend sein für die Tonalität in diesem Land über Jahre hinaus. Der Grundton des Nachfolgers der Willkommenskultur wird von den Medien bestimmt werden. Wie auch immer dieses Konstrukt dann heißen wird. „Kontrollierte Integrationskultur“ vielleicht, oder „Begrenzte Aufnahmebereitschaft“. Gründlich, sachgerecht, pragmatisch.

Parallel dann das: VattenFall führt einen Prozess gegen die Bundesrepublik. Wegen des Ausstiegs aus der Atomwirtschaft. Klar, verdienen ja auch jetzt weniger. Hätten Rücklagen bilden müssen in einem Hochrisikogeschäft. Das muss eingeklagt werden. Vor einem nicht öffentlichen Schiedsgericht in Washington. Es geht um € 4.675.903.975,32 – entspricht also für jeden der divulgierten 1.500.000 Bild-Flüchtlinge über € 3.100,- pro Person aus Steuergeldern. VOR der Unterzeichnung irgendwelcher diesbezüglichen Verträge. Falls unzutreffend wüssten wir gerne etwas davon.

Und ob NSA, VW, TTIP oder die anderen 100 Kriege auf diesem Planeten (darunter die „War on Drugs“, die „War on Terrorism“ und andere gutgemeinte) sich darob dann irgendwann „versendet“ haben, werden wir erst sehr viel später erfahren, denn wir werden weniger darüber erfahren. Und seltener. Und ungenauer. Und das ist genau das, was inzwischen alle wollen, die Dreck am Stecken haben: nur nicht zu viel Medienpräsenz. Es sei denn, die Facebooker und Konsorten starten mal durch. Das ist auf jeden Fall schwerer zu kontrollieren als ein öffentlich-rechtlicher Sender.

Und leider, weil wir jetzt plötzlich anders hinschauen: überall Ausländer, überall Diesel.

Überall Pablo Mora. Überall Mankell.

§ 1 (D).

Die Sicherheit des (D)eutschen Menschen ist unantastbar. So die neue Regelauslegung seit heute Abend. Das Grundgesetz ist zwar dem Schengen-Abkommen übergeordnet; eine (nationale) Notverordnung erscheint insofern legal. Philosophisch stellt sich allerdings die Frage, inwiefern „national“ heutzutage noch eine Kategorie ist. Im globalisierten ökonomischen Weltbild gelten diese geografischen Definitionen ja auch kaum mehr, es sei denn, man verfüge über eine Leitwährung – oder einen BAP, das positiv ausfällt. Steuerlich sind die meisten großen „Player“ sowieso keinem Nationalstaat mehr zuzuordnen.

„Kein Mensch ist illegal“ wäre da die griffige Formulierung; seit 2 Jahrzehnten auf links-aktivistischen T-Shirts und Hoodies zu lesen (zumindest in HH). Die Realität jedoch holt uns mit so banalen Massnahmen wie die Schließung von Grenzen innerhalb (!) der EU ein. Oder 17-monatigen Asyl-Verfahren. Und 6-stellige offene Ausbildungsstellen werden von den zu uns Flüchtenden deshalb nicht angenommen werden können, weil wir sie auf bürokratischem Wege daran hindern.

Wie bereits mehrfach vorausgesagt und von Hoimar v. Dittfurth 1986 formuliert, werden wir uns „nicht einbilden können, uns auf unserer Sattheitsinsel abschotten zu können“. Das ist jetzt 30 Jahre her und ich habe es mit eigenen Augen gehört. Wir sprechen also über ganze Völker aus gescheiterten Staaten und deshalb über Millionen … und nicht über Zehntausende.

Ich bin sehr gespannt, werde weiter dezentral, lokal und in kleinem Rahmen an „Leuchtturmprojekten“ arbeiten – und warte auf die ersten Seuchenmeldungen der Bayerischen Staatsregierung.

Holzstock.

Schaue mir gerade sanft seufzend die lange verpasste Woodstock-Doku an, frage mich, warum sie eigentlich nach 1:00 Uhr läuft und rechne nach: 46 Jahre ist das her – fast ein halbes Jahrhundert. Auch (oder gerade) nach so langer Zeit ist es kaum zu glauben, was da passiert ist, und noch schwerer nachzuvollziehen, wie 400.000 Kids eine humanistische „homebase“ der menschlichen Kulturgeschichte schaffen konnten – mit nichts als Musik, dem Essen der umliegenden Farmer und ein paar Drogen. Ohne aufeinander loszugehen und selbst im Delirium friedlich und sich gegenseitig zugewandt.

Es mag an der fortgeschrittenen Stunde (oder dem neuen Jahrhundert) liegen, dass meine Bewunderung ihren Weg hierin findet, aber als verknöcherter Kulturpessimist ist es mir ein Labsaal, gleichzeitig nachzuerleben, dass wir als westliche Zivilisation schon einmal weiter waren (im Angesicht eines Krieges, wohlgemerkt) und die Hoffnung zu hegen, es läge selbst in der globalisierten ökonomischen Diktatur unserer Tage noch ein Samen dieser blauäugigen, als revolutionär empfundenen Gemeinschaftserlebnisse, die dann unsere Wahrnehmung einer „Zeit“ prägen.

Anders gesagt: wer „I’m going home“ von Ten Years After live gehört hat, war zwar streng genommen in einer „disaster area“ größeren Ausmaßes als es der Münchner Hauptbahnhof je sein wird – minus Essen und Trinkwasser, nicht gereicht von keinen Bürgern, die am Montag nicht wieder ins Büro … oder auf’s Arbeitsamt müssen. Jedoch in einer spirituell sicher besser gepolsterten Transitstrecke, als die zwischen Syrien, Mazedonien und dem Schengen-Konglomerat. Ich glaube nicht, dass da viele ihren Pass dabei hatten.

Dennoch gibt es Anlass zur Freude über die „Willkommenskultur“ unserer Kompatrioten – sofern sie es nicht mit sechsstelligen Zahlen zu tun bekommen; mittelbar nicht mehr, als in die Allianz-Arena reinpassen. Ich sage voraus: dann wird Schluss sein mit freundlich. Also bei etwa einem Fünftel der Woodstock-Besucher. Irgendwer wird die andere halbe Million auf wirtschaftlichen Druck hin schon nehmen. Die restlichen Hundertstel gehen nach England; am besten in die City als Schuhputzer.

Trotzdem: seeds of hope, peace and love. Fun and music, god bless you.

„Der Pessimismus, (…) so ansteckend er ist, vermehrt trotzdem nicht die Krankhaftigkeit einer Zeit, eines Geschlechts im Ganzen: Er ist deren Ausdruck.“  (F. Nietzsche)

 

Mia Sammer mia.

And now to something completely different:

Dass Bayern Vidal holt, ist ein klares Zeichen für die zukünftige Ausrichtung des Vereins und hat mit Pep wenig zu tun. Auf die Gefahr hin, etwas nachzuplappern, was ich noch nicht mal gelesen habe, behaupte ich, dass der Weggang (wie man das in diesen Kreisen nennt) von Schweinsteiger die willkommene Rentenlücke für etwas ermöglicht hat, das eindeutig die Saison 16/17 betrifft – auch wenn Vidal dann schon nicht mehr dabei wäre. Sammer möge man sich dabei (nicht schwer) tobend im Gang an der Säbener Straße vorstellen, mit Vokabeln wie „Schönspielerei“ und „Rumexperimentieren“ um sich werfend. Das findet dann wie Wasser seinen Weg. Und KHR ist dabei die Validierungsinstanz.

Bei Pep trifft es wahrscheinlich auf eine schon lange getroffene Entscheidung.

Schade eigentlich.

Windschatten.

Früher, also in den 80er und 90er Jahren, haben wir gezielte PR-Aktionen zum Guten oder Schlechten eines Klienten „Wind machen“ genannt. Inzwischen (und auf viel mehr und fraktalisierten Kanälen), wird Wind gemacht um die eigentlichen Ziele unkenntlich zu machen. Das heisst nicht, dass sie unsichtbar sind. Sie liegen teils offen, werden aber durch den vorherrschenden Wind so kaschiert, dass sie als scheinbare Sekundärziele einfach von allein hinter den Vordergrund zurückfallen. Alleine schon, weil mittelfristig keine Zeit bleibt, sich mit dieser Ebene medial auseinander zu setzen. Ein Navigieren im Windschatten also. Manchmal sogar im eigenen.

Bilaterale Gespräche mit autoritären und menschenverachtenden Regimes im Windschatten der Flüchtlingsproblematik.

Die Übernahme der (profitablen) Griechischen Flughäfen durch die FraPort im Rahmen der erzwungenen Privatisierung Griechischer Staatsgüter.

Und jetzt die einseitige Aufkündigung eines Waffenstillstandes und die Ermordung von Kurden im Windschatten der IS-Bekämpfung.

Wenn Sie bis hierhin gelesen haben, sind sie vielleicht empört, aber genau dieser Taktik auf den Leim gegangen. Was will er sagen? Verrät er jetzt etwas? Welche Taktik befolgt er? Where is the beef? Ich Leser aber bin Sherlock. Scheinbar also findet der Rezipient die scheinbar verborgene Botschaft und ist selbst dann froh‘ sie zu empfangen, wenn sie ihm verzehrfertig auf den Teller gelegt wird. Für einen zweiten Gang zum Thema fehlt die Zeit. Auch wenn sie meist mit dem gespenstischen Starren auf kleine Bildschirme verstopft ist, also umnutzbar wäre. Nur was aktuell und schnell ist, ist aktuell und schnell zu beantworten. Über zahllose, die Form meist vorgebende, rigide, datensaugende Plattformen. Es aber zumindest mit einem Reflex quittiert wird – im „Resonanzraum des persönlichen Internets“ (Haberl, SZ, glaube ich).

Informationsmaterialismus. Gewinnlust auf der Ebene scheinbarer sozialer Relevanz. Und Gier, wie immer. Max. 160 Zeichen und möglichst viele Verweise damit man in alle Richtungen Sporen (sic!) der eigenen Persönlichkeit verstreuen kann … im Windschatten von was oder wem auch immer.

Hemingway hat mal die besoffene Wette gemacht, er könne eine Geschichte in sechs Worten erzählen. Die Saufkumpanen an der Bar des Hotel Crillon hielten dagegen und nach einiger Zeit kritzelte E.H. auf die Serviette: „Baby shoes for sale: never worn“.

IS verspätet getroffen: leider Kurden tot.

 

Ultimatomaten.

Soso. Nun soll also das Bild verfestigt werden, „unsere Gelder“ flössen direkt in die Automaten darbender, panischer Griechen. Abgesehen von der Tatsache, dass „unsere Gelder“ weder etwas existierendes bezeichnet, noch bisher je irgendetwas wirklich „geflossen“ ist, bleibt offenbar nur Ressentiment und dumpfe Stammtisch-Attitüde gegenüber einem souveränen Volk, dass einfach nicht spuren will und „über seine Verhältnisse“ gelebt hat – und jetzt tatsächlich auf breiterer Ebene Gewissheit für die kommenden, schmerzlichen Schritte haben will. Wer vor ein Ultimatum gestellt wird, darf, nein MUSS das Recht haben, sich seiner Mehrheiten gewiss zu sein – egal, ob er dafür oder dagegen ist. Das nennt sich Demokratie und ist eine Erfindung der Griechen.

Also ist diese um sich greifende Verdummung schwer auszuhalten angesichts der Tatsache, dass selbst das derzeit äußerste Mittel – nämlich die Überweisung der unbedingt fälligen Raten an den IWF durch Europa als solches (als Fonds? Nach welchem Verteilungsschlüssel?) – de facto an sie selbst und die führenden Öl- und Industrieländer geht. Nochmal in kurz: Du musst aber kannstnicht an uns zahlen? Na dann überweisen wir uns mal die Kohle selbst und Du bist uns noch mehr schuldig als zuvor.

Kleines Update: Der IWF ist klar nach Ländern bis auf die zweite Kommastelle hinter der „0“ aufgeteilt. Wobei die Einlagen den relativen Krediten und Profiten entsprechen sollten, die der IWF eigentlich zur Aufgabe hat. Beispiele: Afghanistan 0,09% / Albania 0,03% / Algeria 0,53% / Angola 0,14% … um nur die alphabetisch allerersten zu nennen. Die nächsten interessanten Interessenten in der endlosen Liste sind (fast wahllos): Argentina 0,87% / Australia 1,3% / Austria 0,87% (also soviel wie Argentinien) / Belgium 1,86% / Brazil 1,72% / China 3,81% / France 4,29% / Germany 5,81% / Italy 3,16% / Japan 6,32% / Korea 1,36% / Mexico 1,47% / UK 4,29% (da sitzt die Kohle, die kein Öl ist) / … und die 16,74% für die USA.

Die 2,39% der Russian Federation und 2,8% der Saudis überraschen dann folgerichtig nicht wirklich – wobei auch Lybien, Venezuela und Malaysia auf ganz beachtliche Quoten kommen (oh, das Ö-Wort1) und Indien mit vergleichsweise lachhaften 2,34% zu Buche schlägt – ebenso lächerlich wie Polens 0,70% oder Spaniens 1,63%.

Eine Art weltweiter Eurovisions-Contest in einer Ukrainischen Mehrzweckhalle (0,57%) mit einem unterbezahlten Gospelchor, EU-Nummerngirls und einem Amerikanischen Ringrichter. Und da soll mir weisgemacht werden, dass die 0,47% Griechenlands eine ernst zu nehmende Rolle spielten bei diesem Schattentheater? Der „IWF-Commissar“ für diese Einlage heisst übrigens What-the-fuck-is‘ oder so ähnlich. Das Problem ebenso ungebü(h)rlicher wie unbeugsamer Kleinstaaten bleibt natürlich bestehen – jedoch die Art, es zu behandeln hat sich seit 2.000 Jahren kaum geändert.

Divide et impera.

Quelle: IWF-Mitgliedsstaaten

3 Tode.

Ornette Coleman, Christopher Lee und Harry Rowohlt sind gestorben, wenn auch nicht in dieser Reihenfolge mitgefühlt. Und trotzdem als Dreierpack niederschmetternd. Nicht, weil sie uns nicht genug Stoff gegeben hätten, der zu Tränen rührt und ohne den man gar nicht der wäre, der man ist, sondern weil so viel Freiheit und Freigeistigkeit auf einmal vergehen. FreeJazz und neue Musik-Formen, Free translation und neue Wort-Formen … aber Lee? War der nicht – zumindest zeitweilig – der Blut-Sklave seiner Produzenten? Angefixt und ausgesaugt? Mag sein, aber im Perspektivwechsel hat er UNS freigesetzt, mit seinen unübertroffenen Schurken ohne die wir nicht einmal den euphemistischen Begriff „Bösewicht“ in den Griff gekriegt hätten.

Ob „The Shape of Jazz to Come“ oder „Puuh’s Corner“ oder „Dracula“: sie haben uns „freigesetzt“. Musisch, literarisch, cineastisch. In allen diesen Werken liegt Befreiung. Vom Formelhaften, vom Geordneten, vom Rigiden, vom Bösen. Insofern kann ich mich glücklich schätzen, allen Dreien mein Leben lang bei der Arbeit zugesehen haben zu dürfen.

Ausserdem sahen sie gut aus. Nicht weil schick, sondern weil echt. Und haben alle geknattert, was auch immer; waren verschuldet und über die Maßen artikuliert … und hatten alle „Haltung“. Meist zugunsten derer, die was verändern wollen. Keinesfalls dem status quo verhaftet. Und in so vielem von mir innerlich beklatscht und bejubelt. Beim Lesen, beim Hören, beim Zuhören, beim Zugucken.

Es beschleicht einen also in der Trauer das selbstgerechte Gefühl älterer Männer, die letzten ihrer Art gewesen zu sein. Dabei schließt man sich den verstorbenen gerne an und profitiert schamlos von ihrer Brillianz.

Apropos: erzählt mir doch beim Jazzer-Kondolenztelefonat ein alter Freund, dessen Kompetenzbereich eine federführende Plattenabteilung des Landes ist, dass Christopher Lee mal bei ihm im Lager war, als er dazukam. Der Herr stöberte wohl gerade in raren Opernplatten. Als der Hausherr den Raum betrat, bekam er ein „Don’t be shy, come on in!“ zu hören.

Oder Herr Rowohlt, der zwar später von der „Sedaritis“ sprach, aber dennoch in Sedaris „Nackt“ Überleitungen wie die Folgende hinbekam: „Wir überquerten die Grenze in einem pfirsichfarbenen Mustang, der einem Sprachtherapeuten aus Barstow gehörte, und ich drehte mich kurz auf meinem Autositz um, bevor ich schwor, nie wieder einen Blick zurückzuwerfen.“

Oder eben die ins Mark treffenden Saxophonlinien von Coleman, die im Oktett mit Dolphy, Cherry, Hubbard, Haden, Higgins, Jamaladeen Tacuma und weiss‘ ich noch wer, die Töne und Harmonien verändert haben, die eine ganze Generation geprägt und an den Rand des Wahnsinns getrieben haben. Die Süddeutsche (A. Kreye) schreibt von der „… Klarheit und Zielgenauigkeit eines Laserstrahls erst einmal ins Herz getroffen“ zu werden, und seine Opfer „…werden Musik nie wieder hören können, wie zuvor.“

Mit einem Zitat aus einem „Schausaufen mit Betonung“ (Lesung) möchte ich schließen: „McKinsey möge sich bitte freundlichst und gründlichst gehackt legen!“