Tja, mir tut es auch leid. So lange nix. Grobe Verletzung der Bloggikette. Nu aber schnell ein paar Wochen (ui) im Zeitraffer nacholen:
Fing alles an mit dem Herrn Sarrazin oder so: Hätte man einerseits unbedingt was zu schreiben wollen, wurde allerdings von der Schwemme meist unintelligenter = so voll am Punkt vorbeigehender, hypernarzisstischer Leitartikel abgeschwemmt, dass man sich einfach durch Schweigen ausdrücken musste. Lieber mit wichtigen Dingen beschäftigen… (Dennoch werden wir in Zukunft zur Bezeichnung von Argumentationstypen, die sich durch Dekontextualisierung, hetzerische Verkürzungen, Dedifferenzierung und populistische Berufung auf statistischen Datendünnschiss auszeichnen, das Adjektiv „sarrazinesk“ verwenden).
…Was uns augenblicklich zu einer Prolepse zwingt: Oktoberfest in München. An einem der Bahnhöfe im schönen (???) Niedebayern steigen die deutsch=bayerischen Mädels ein (Wesen also, deren Migrationshintergrund so lange zurückliegt, dass er sich optisch für die Heutigen nicht mehr ad hoc erschließt: vulgo Eingeborene). Gestylt wie die armen Frauen, die am Straßenstrich (sagen wir: vor Arezzo, nachts um elf und vier Kilometer weit draußen, you know what I mean) ihrem traurigen Schicksal entgegenhängen. Bringen zu dritt freundlich geschätzte 250 kg auf die Waage. Die eine eine Flasche braune Brause unterm Arm, die andere eine volle Flasche Bourbon… Aussteigen in München (auch bekannt als das Millionendeppdorf – beim Oktoberfest sind es ein paar Hundertausende mehr): Und im Abteil der deutschen Damen kullert die leere Whiskeyflasche herum und auf geht’s zur Wiesn! Schon untergehakt: trichinenbefallene Trachtenträger (ebenfalls: doitsch). Wieso, schießt es mir durch den Kopf, wäre es nun so schrecklich schlimm, wenn die sich, sofern Herr S. richtig liegen sollte, abschaffen sollten? Sollen sie natürlich nicht: Sie sollen wählen, sowas eben , nach dem Topf-und-Deckel-Prinzip.
Welt schlecht eingerichtet: Kotzen müssen die, die nüchterne Betrachtungen anstellen und nicht die, die im Zug zur Wiesn 1 Flasche minderwertigen amerikanischen Schnaps saufn.
Gute Erlebnisse: immer wenn man Menschen in einem Umfeld begegnet, wo sie etwas tun können, wo man ihnen Türen öffnet zu Mitgestaltung, wo man ihnen zuhört und sie in Kommunikation bringt, die Optionen aller Beteiligten aufzeigt, vermehrt, macht man die Erfahrung: Ja, ja, ja! Es geht was! Dieses Land und diese Leute können noch viel mehr, sind gut drauf, haben Potenzial (und ja: es macht verdammt viel Spaß, Berater zu sein, wenn man nicht gerade für DAX-Unternehmen arbeiten muss). Kurz: Scheiß auf das BILD der Republik in den Medien: insbesondere Tageszeitungen, TV, „Sachbücher“).
Auch gut: Stuttgart 21 – also selbstredend die Reaktionen darauf. Wer bitte hätte vor 1 Jahr oder so vermutet, dass ausgerechnet die braven Schwaben…??-!!! In Nürtingen hat jetz einer schon eine Agentur gegründet, die krebskranke Alt-68er vor ihrem absehbaren Ableben zum HBF Stuttgart karrt (mit allen Annehmlichkeiten, versteht sich), damit sie im Angesicht des Todes SOWAS nochmal live erleben können. Aber ernsthaft: Chapeau Stuttgart! Deutschland robbt sich ran: an demokratische Selbstverständlichkeiten nämlich. An die Tradition der Aufklärung. An die Zukunft! (-???)
Zu den vielerlei Dingen, die es zum Diskurs um „Stuttgart 21“ anzumerken gelte nur eines: Am selben Tag, an dem Herr Grube (aufgemerkt: die alten Römer wussten, dass Namen eine tiefere Bedeutung haben!) meinte, sagen zu müssen, dass es ja allein aufgrund der Tatsache, dass man bereits 470.000.000 € in die PLANUNG des Projektes investiert habe, kein Zurück mehr geben könne und dürfe, berichteten die Zeitungen wieder einmal, dass wir (bzw. die) Steuerzahler für die Wahnsinnstaten der HRE Bank mit 150.000.000.000 € bürgen (tja Freunde: auf das „Bürgen“ scheint sich derweil die Rolle des „Bürgers“ zu beschränken): Okay, das Ausschreiben von Zahlen ist vielleicht auch nicht immer soooo sinnfällig. Also anders: Wir reden hier über einen Faktor von 320! Das Äquivalent zur „HRE-Rettung“ ist die Option, es sich 320 mal leisten zu können, einen umstrittenen Blödsinn von Großprojekt zu lassen oder einfach neu in den Dialog zu treten, um es BESSER ZU MACHEN. 320 Mal Zukunft. 320 Mal Demokratie. Aber natürlich: Milchmädchenrechnung: Es würde ja nur einen lächerlichen Bruchteil der lächerlichen 470 Mio kosten, von vornherein alle längst bekannten Methoden der Beteiligung, der Diskurssteuerung, der Planungszellen etc. anzuwenden, gute Moderaroren, Berater und Supervioren einzubeziehen, um solche Projekte zunkunftfähig, konsensfähig, nachhaltig zu gestalten. Frage: Wer hat was davon, dass man es NICHT so macht?
Was weiter: Zwei Sätze einer lieben Freundin aus den letzten Tagen, die unbedingt weitergegeben werden müssen:
1. angesichts der Äußerungen eines Herrn Roland Koch, der jetzt auch ein Buch geschrieben hat: „Konservative sind Menschen, die es nicht ertragen, dass andere auch Werte haben und damit sie darüber erst garnicht diskutieren müssen, sagen sie gleich: Die anderen haben überhaupt keine Werte.“
2. „Leber lieber ungewöhnlich!“ (Und wenn das jetzt die jüngeren jeanbrasse-LeserInnen nicht gleich verstehen, weil sie den entsprechenden Spruch nicht kennen – vulgo: ein Intertextualitätsproblem haben –, dann macht das nix.)