Ich höre gerade, dass unsere Nachtigall wieder da ist. Noch irrt sie zwitschernd herum; fliegt da und dort in der Nacht, posaunt mal hier, mal auf einem anderen Dach; hat ihren Platz noch nicht gefunden. Aber geht uns das nicht allen so? In jedem Falle tröstlich und ein untrüglicher Vorbote des Frühlings. Wie schön.
Archiv für den Monat: Februar 2014
Schreib-Bloggade.
Inwieweit bloggen Eitelkeit ist oder befördert, war heute bei einem zauberhaften Abend ein Thema unter vielen; mittelbar Zeichen für einen zauberhaften Abend. Und ob der Grundgedanke der Verfertigung von Gedanken beim Schreiben Grund genug oder nur die Spiegelung des Selbst über drei handvoll Leser Grund genug ist, wurde naturgemäß nicht abschliessend geklärt. Aber dass die Reflektion an sich – über welches Thema auch immer – mit einer virtuellen Leserschaft besser funktioniert, war Konsens; und sei es ein fauler. Denn schreiben über Sachen, die Sachen machen, oder Gedanken, die Gedanken machen ist auch dann gut, wenn sie niemand liest.
Was aber passiert, wenn man weiss (oder will), dass einen mehr (und immer mehr) Leute lesen? Ist und denkt man dann noch der/dasselbe?
Auch wenn die Kommentare spärlich fließen, das Feedback dünn ist, und eine hochgeschätzte Freundin einen auffordert, nicht „nur weiterhin verklausuliert und semipoetisch gesellschaftspolitisch vor Dich hinschwafeln willst, statt der Experte für…“ zu sein, bleibt das bloggen für mich eine Art öffentliches Privatissimum. Widerspricht sich, macht aber Sinn. Die Gedanken sind frei, aber besser geordnet, weil sie jemand liest. Wieviele das sind, spielt keine Rolle, denn der Respekt gegenüber 12 muss derselbe sein wie gegenüber 1.200. Umgekehrt jedoch beeinflusst die angenommene Leserschaft massiv die Art & Weise, wie (oder sogar worüber) man schreibt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ernie privat zu Bert dasselbe sagt, wie wenn er inner Glotze iss. Und die Muppets sind auch nur spannend gewesen, weil sie konsequent die Regeln missachtet haben. Am Ende mussten sie in ihrem eigenen Film „lampshading“ (habe ich heute gelernt) betreiben und eine abgewrackte Studiotour inszenieren, um sich als Oldtimer für Junge wieder interessant zu machen.
Was also, liebe Leser, soll ich tun? Weiter schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, disparat und ohne jede Hoffnung auf Relevanz und Gefolgschaft? Oder ein bisschen wichtig werden für mehr als zwei Dutzend? „House of Cards“, habe ich mir sagen lassen, wurde den Wünschen der Seherschaft nach „designt“. Sie wollten was „intrigenhaft politisches, am liebsten von David Fincher und mit Kevin Spacey in der Hauptrolle“. Haben sie bekommen, Haben wir alle bekommen. Und da liegt der Reiz.
Sollte es aber dabei bleiben, dass ich mit Freunden ein paar Gedanken teilen möchte, bei denen ich nicht ständig von mir selbst unterbrochen werde, fällt mir kein Zacken aus der Krone, die ich mir noch nicht aufgesetzt habe.
Abgesehen davon habe ich heute gesehen, wie ein frischgebackener Sesamstrassenpuppenspieler mit seiner Figur – mittels Handy – die Kinder daheim grüßt. Besser kann bloggen nicht sein. Und die Zielgruppe ist 2, nein 3, nein 4. Plus X.
Schwarze Engel.
Seit etwa zehn Jahren bitte ich meine Frau, die ADAC Motorwelt nach Empfang noch am Briefkasten zu entsorgen. Grund dafür sind meine Erfahrungen als potentieller Anzeigenkunde mit diesem Drecksblatt, dass als auflagenstärkstes Magazin der Republik in manch einem Mediaplan über Wohl und Wehe der buchenden Agentur (bzw. Kunden) gebietet. Wenn es aus der Anzeigenplanung herausfällt, verändert sich bei der entsprechenden Zielgruppe der „Wirkungswert“ bzw. die „GRP“ (gross rating points) so dramatisch, dass es quasi automatisch eine Säule des dem Kunden präsentierten Mediamixes darstellt.
Das heisst es geht im aktuell vorliegenden Fall nicht nur um Erpressung auf der Basis höchst dubioser Leserschaften (wieviele Millionen schmeißen es wie wir weg, ohne es auch nur angesehen zu haben?), sondern um systematischen Betrug, nicht nur am Leser (siehe beiderlei Arten „Preise“ und ihr Zustandekommen), auch an den Kunden, die fast 6-stellige Summen für eine Farbseite Inserat auf den Tisch legen, weil es auf der Basis absurder, bis heute bestehender Modelle rechnerisch kaum zu umgehen scheint.
Bleibt zu hoffen, dass der riesige Sumpf medialer Korruption, der sich auch jenseits der ADAC Motorwelt erstreckt, endlich in den Fokus und die allgemeine Wahrnehmung rückt. Mich hat er seinerzeit meinem Job entfremdet; Euch wird er noch überraschen. Aber vielleicht doch nicht. Ein gelber Engel ist schwarz geworden und vom Himmel gefallen – dass wird dann wohl reichen, damit die anderen nicht blankziehen müssen. Titel der aktuellen Ausgabe: „Die Krise als Chance“. Wäre mir wohl auch noch eingefallen. Gross (rating points).
Beschäftigung.
Das wir beschäftigt sind, wird vorausgesetzt. Warum?
Wer masst sich an, zu beurteilen, wieviel Erwerbsarbeit wert ist (übrigens die Buchstaben 2,3,4 links oben auf der A-Tastatur), wenn die halbe Welt ohne Arbeit ist? Und ja, das wert wird klein geschrieben. Beschäftigung ist eine Art storage-problem geworden; Binnen-Wachstum ebenfalls.
Darauf, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen möglicherweise eine Option darstellt, sind ja inzwischen einige und auch gute darunter gekommen. Aber das ist nichts für die hohe Diplomatie. Das ist etwas, was wir uns erarbeiten müssen. Eine Freiheit von so vielen Zwängen, dass es mehr Kräfte freisetzt, als es aufgenommen hat. Ein guter Nährboden für neue Ideen jenseits der Kaufbarkeit.
Sollte man ein jedoch ein schnelles Ergebnis dieses Gedankens erzielen wollen, würde man es in ihrem Kern korrumpieren. Hier liegt das Problem und in der folge wird es moralisch. Insofern ist die versuchte Totalüberwachung ein Schlag, der auch befreiend wirken kann. Für die, die schon immer mehr wissen wollten und jene, die es am liebsten nicht wüssten. Klingt wie Western. Ist es vielleicht auch. Die ganze Welt ist ein ElDorado. Und das Gold heisst Information und Philip K. Dick sagte schon vor seinem Tod 1982: „Es wird die Zeit kommen, da überwachen sie mich nicht mehr per Telefon, sondern mein Telefon überwacht mich.“. Uff. Und jeder, der clever genug ist, bedient sich. Die, die es nicht tun, haben quasi keine Waffen mehr. Argumentativ läuft das auf Glauben raus. Also irgendwann Ausgrenzung und Hexenjad.
Von mir aus kann’s losgehen ins aufgeklärte digitale Zeitalter. Auch mit so vielen Daten, dass sie alle daran ersticken, weil sie nicht mehr in der Lage sind, sie zu lesen. Zu verlieren haben wir mehr als unsere Präsenz.
’n Abend.
love.
Kleist & Kleister.
Schlaflos ob der Unfähigkeit, einen auflagenstarken Artikel über meine Mutter und ihr Pflege-Szenario in der Münchner „AZ“ von heute richtig einzuordnen, frage ich mich, ob die Veröffentlichung einer derart intimen Konstellation nun hilfreicher für die Leser oder für die Zeitung ist. Oder gar für die, die es dem breiten Publikum anheimgestellt haben.
Vielleicht stellt sich die Frage auch gar nicht, und H.v. Kleists „Verfertigung der Gedanken beim Reden“ greift in diesem Falle einfach öffentlichkeitswirksam für die Promotion eines ebenso gangbaren wie sinnvollen Modells dafür, wie wir – sofern privilegiert – mit unseren „Alten“ umgehen sollten, wenn wir ihnen das eigene Zuhause erhalten wollen. Oder ist es eben doch eher Kleister für eine Wunde, die ebenso im persönlichen, hilflosen Umgang mit der Hilflosigkeit (sic!) fusst, wie es eine PR-Salbe für die soziale Perspektivlosigleit staatlicher Ohnmacht im Angesicht einer wachsenden Schar von Bedürftigen jenseits der Bedürftigkeit (sic!) darstellt.
Anders ausgedrückt: wer hilft hier wem ? Und wenn es denn privat ist und bezahlt wird, sollte es dann nicht privat bleiben?
Cherchez la mère.
R.