Freiertage.

Mann hab‘ ich ein Glück.

Nach Pchum Ben (dem Fest der Ahnen bzw. Verstorbenen), dem Tod des Königs, der Trauerzeit danach, seinem Geburtstag 2 Tage drauf und jetzt Freitag dem 59. Tag der Unabhängigkeit, stolpere ich mit meinen Kompatrioten auf Zeit von einem Feiertag in den nächsten. Und in zwei Wochen ist Bon Um Tok, das Wasserfest; ursprünglich mal gedacht als die Feier des Momentes, in dem sich der Lauf des Tonle Sap umkehrt, um nach hinaus (als „Überlaufreservoir“ quasi) nun IN den Mekong zurück zu fliessen. Aber der Anlass ist obsolet, da die Chinesen und ihre Dämme dafür gesorgt haben, dass er das inzwischen schon einen Monat vorher tut. Dafür mit halb so viel Wasser wie bisher. Brauchen wohl Energie für die neue Mittelschicht, die sich dann den neuen Golf leisten kann etcpp. Letztes Jahr brauchten sie wohl nicht soviel, da gab es dann derartige Überschwemmungen, dass das Fest abgesagt worden ist, um die Gelder in den Wiederaufbau zu stecken. Und im Jahr zuvor haben Dutzende von Menschen bei einer Massenpanik auf einer Brücke, verursacht durch herabfallende Starkstromleitungen, ihr Leben gelassen. Dass wird also bestimmt ein Spaß dieses Jahr.

Aber da dies wohl nicht genug ist, kommt nächste Woche dazwischen: der ASEAN-Gipfel! Und das heißt angesichts der strategischen Neuausrichtung und Wiederwahl: Barack kommt! Und Vladimir!! Und der Chines‘!!! Zusätzlich zu den eigentlichen ASEAN-Regierungschefs natürlich. Also werden Schulen entlang des „Boulevard de la Federation Russe“ für ganze 6 Tage geschlossen, weil die urplötzlich auf die Straße ausbrechenden 1.500 Schüler auf Fahrrädern den „dignitaries“ in die Quere kommen könnten. Kein Witz. Und was in München passieren würde, wenn man beide Ringe, die Autobahn zum Flughafen und 3 von 4 Ausfallstrassen sperren würde, könnt Ihr Euch ja vorstellen. Genau so wird es sein. Und die Bettler und die Kinder, die Bücher und Früchte verkaufen werden kurzerhand deportiert. Nach Prey Speu, vor die Tore der Stadt, wo es 3m-Mauern, verschlossene Tore und Stacheldraht gibt. Operation Cleansweep nennen sie das.

Und entblöden sich auch nicht, dies der Presse z.B. in folgenden Worten (sic!) mitzuteilen: „If the leaders from across ASEAN and the world see beggars and children on the street, they might speak negatively to the government“. Gag am Rande: der Municipal Hall Spokesman der all dieses frei von der wohl strapazierten Leber weg mitteilt, heißt … Long Dimanche.

 

Landei.

Auf dem Land in Takeo, da geht das so:
Von 5:30 h bis ca. 8:00 h gibt es Reis mit Huhn oder Nudelsuppe mit was immer bei drei nicht auf den Bäumen war. Und auch das reicht meist nicht, um der unendlichen Fleischeslust des Khmer-Mannes zu entgehen. Reiher werden mit der Steinschleuder erlegt (schmeckt stark nach Wild, wie Fasan oder Hase), Reisfeldratten (Bisam?) schlicht erschlagen (wie leichteres Schwein, sehr gut, prima Frühstück), Lerchen beim singen genetzt (zur Nachtigallenzeit serviert, an Romeo&Julia gedacht, nicht gegessen), Fische am leben gelassen (zu 20st in einem 5-Liter-Waschzuber versteht sich) … und die Schnecken waren schlicht zu langsam (und zu süß).

Der Abend besteht aus Reis und Fleisch oder Fisch. Ja, besteht, denn es wird ab Anbruch der Dunkelheit gegessen, langsam und bei jedem neuen Gericht (von 2 bis 6, je nach „Jagdglück“ und ohne erkennbare Regel) zunächst in der Altersreihenfolge (wusste ich doch, dass das noch ein Vorteil sein wird, 49 zu sein) bis Stunden und einige Biere später einfach nichts mehr da ist. Auch die Knochen nicht. Ausser auf meinem Teller. Aber ich werde gelobt und bin der beliebteste Gast in den Familien, weil ich alles esse und was zu erzählen habe. Und darum geht es schließlich auch. Manchmal meine ich sogar, dass die lebhaft vorgetragenen Geschichten länger sind, als das was tagsüber hat passieren können.

Mittags findet sich irgendwo an der Straße sicher irgendjemand der in einem Dreiradmoped sein Grillchen anschmeißt (Hühner- oder Bällchen-Spieße) oder Sandwiches verkauft. Die sind groß und frisch und knusprig (ich finde die Bäckerei schon noch) und meist mit Soyapaté + undefinierbaren Ingredienzien + Gurkenpapayakarottensalat und Sauce belegt. Gerne auch mit „clotted chicken blood“ von der Morgenschlachtung. Das Ergebnis ist fast immer süß-sauer und mir zu lasch, also insistiere ich auf Chilli-Sauce, was zum herbeirufen irgendwelcher Passanten führt, die dem Barang fortan beim essen zusehen. Manchmal gibt es bei restloser Verputzung Applaus. Orte und Regeln (wie Öffnungzeiten) sind mir noch schleierhaft.

Hühnereier werden kaum verkauft bzw. sind zu teuer oder werden heimlich gegessen, denn wer will schon vor den anderen den dicken Macker machen und 3 potentielle Freiland-Hühner zum Frühstück verspeisen, bevor sie das übliche Kilo (all incl.) erreicht haben. Mit Enteneiern verhält es sich seltsamerweise nicht so. Sie kosten 12 cent, gehen spitze als Rührei durch oder angekocht und im heissen Wasser lange stehen lassen. Das spart Gas und der riesige Dotter wird thyphusfrei cremig.

Apropos Gas: wir haben vorgestern unsere Willkommensparty auf der Dachterrasse geschmissen. 6 waren geplant, 14 sind gekommen und es ist tatsächlich gelungen, sie alle mit „Insalata di Faggioli“ und „Spaghetti Tonno alla Calabrese“ satt zu kriegen. Mit der fast industriellen Verfertigung von 2 Kilo „pommodori pelati“ und einem kleinen, ein-flammigen (!) Gaskocher, aber zwei Versionen der Sauce. Wir haben sie nach den Kursen benannt: „elementary“ und „advanced“, wobei letztere der Ersteinfuhr von Oliven und Kapern in die Provinz Takeo gleichkommt. Der Rotwein war wohl keine Premiere. Den hatte jemand in der Zeit der französischen Besatzung schon mal dabei. Es ging bis nach Mitternacht, da waren die zwei 10-Kilo-Eisbarren geschmolzen und die Restbiere lau; auch das eine Premiere. Die Mädels haben im Gesamtprozess die anspruchsvolle Aufgabe übernommen, die Terrasse zu fegen und einen Bananenshake zum Nachtisch zu machen. War eine große Hilfe. Wollte aber keiner mehr haben.

Davon musste ich mich erholen, bin seit gestern ein WE in PP (Visum, Schulbücher, Technik) und habe mir erstmal ein gepflegtes Abendessen (mit echten Servietten!) in klimatisierter Umgebung gegönnt. Entrecôte mit Blauschimmelkäse und Röstkartoffeln. Sehr geniessbar, wenn da nicht bereits der kleine Gewissenswurm nagen würde und sich ein Hauch von Scham über den 10-US$-Teller gelegt hätte. Hoffentlich wird das nicht stärker.


Sie liieben Streifen

Nach den Pommodori

Prioritäten.

„Welcome lady an genteman to giant ibis bus will go to the capital of the Phnom Penh an will takebout 6 aua. We come through province of (…. unverständlich) and (…. unverständlich), and (…. unverständlich) wea stopp for halfhour lunch“.

Soweit so gut.

„we wait for passenger forget with shuttle good service understand“ (?)

„Please fasten seat belts“ (??)

„We show today Avatar on this trip to the Phnom Penh capital“ (?!)

„Our wi-fi password is IBIS2012“ (??!!)

Aufkreischen der begüterten Kids im 13-Dollar-Bus. Zwinkern unter Eltern. Rückenlehnen werden grinsend in Liegeposition gebracht. Die Bälger zücken ihre Smartphones und sind beschäftigt. Tatsächlich. Wi-Fi im Bus. In Kambodscha. Und Avatar mit surround. Was die meisten Kids parallel nutzen.

Armlehnen zwischen den Sitzen? Keine. Fußstützen? Leider nein. Klo? Fehlanzeige.

Aber w-lan. In Kambodscha. Während man an Dörfern vorbeifährt in denen noch keiner einen 20.000 Riel-Schein gesehen hat (5 €). Stundenlang. Ohne Armstützen, ohne Fußstützen, ohne Klo. Tja, man muß wohl Prioritäten setzen für die Kundschaft von morgen.

Die Kleine hat dem ganz kleinen gerade den Reis geklaut.
Ich hab’s genau gesehen.

Ausschlachten.

So langsam wird die Trauerei echt unerträglich.

Das hat der König nicht verdient, dass man ihn einfach nicht ziehen lassen will, bevor nicht auch noch die letzte Hofschranze ihren Kotau vor Ihm, seinem Sohn, dem Designierten, dem Hohepriester und dem 24 Std. live berichtenden Staatsmacht-TV gemacht hat.

Dabei wird die Endlosschleife besonders halluzinatorisch, weil je nach Phase des jetzt 1-wöchigen Trauerzeremoniells zwar eine andere Kleiderordnung herrscht, diese aber völlig einheitlich eingehalten wird, ohne die ewiggleichen Kaderfressen zu verziehen, geschweige denn das Brillenmodell vergoldetes Stahlgestell schmal oder randlos zu variieren. Da sind ja die Koreanischen Nerd-Scharen in Angkor mit ihren hornverstärkten Bill Gates Gedächtnis-Glupschis noch originell dagegen. Es ist wirklich so, als könne man Merkel optisch nicht von, na, Dings, wie heisst er nochmal … Und alle Kränze, die von jedem Regiment und jeder Pfadfindergruppe angeschleift werden, sehen völlig identisch aus. Apropos Schleifen: die hat auch jeder, sogar die Nutten.

Warum ich das alles weiß? Weil es auch noch in der letzten Kneipe (teils per Beamer!) übertragen wird – allein schon, um die feierwütigen Touristen damit darauf hinzuweisen, dass es sich beim fehlenden Rock’n’Roll um höhere Gewalt handelt. Und weil heute die Folter ihren Höhepunkt erreicht hat: Mönchsgesänge von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, verstärkt über die ganze Stadt mittels Lautsprechern auf Mobilfunkmasten, gegen die ein Muezzin eine tirilierende Lerche abgibt.

Preah Bat Samdech Preah Norodom Sihanouk Varman hieß er. Ist echt var man. Aber jetzt ist mal gut man. R.I.P.

funeral screening – no rock’n’roll

Jiggy feet.

Hätte mich ja auch gewundert, wenn sie die Füße länger als zwei Tage hätten stillhalten können. Alles wie gehabt: Verstopfte Strassen, ohrenbetäubender Lärm, krasser Vorwärtsdrang und die bewundernswerte Fähigkeit, all dies im Fluß zu halten. Auch wenn für die Durchfahrt von ein paar Offiziellen auch noch die letzte große Verkehrsachse gesperrt wird. Was dazu führt, dass tausende von Mopeds einfach die Pasteur (51-ste) gegen den anbrandenden Einbahnstraßenverkehr verkehrt herum hochfahren. Hey, izz bizzness!

Ich glaube irgendwie nicht, dass jemand verletzt worden ist. Aber es war beeindruckend. Zu Fuss.

Denn Ihr glaubt wohl nicht im Ernst, dass ich ein Mototaxi nehme. Will ja noch anderen helfen (können). Kurz nach Aufhebung der Sperrung gings auch gleich wie gewohnt weiter. Aber was ist das?

 

 

Certainement.

„De la Guerre à L’Opinel et partager des saucissons“
„On est tous des frères selont les declarations“
„Faut jamais les oublier, les 3 mots qui se termines en „té“
(Lavoine)

Wahrscheinlich kann sich niemand vorstellen, wie sehr ich mich noch als Franzose fühle.
Es ist wirklich erstaunlich. Wenn mir jemand sagt: „C’est étrange, le visage des filles – quelque-chose d’épouvantable.“ Du, dann nehme ich das einfach ernster, als wenn mir jemand sagt „Ja wie schaut denn die aus? Unmöglich, sowas.“. Surprise!

„Du Chilli dans les gamelles et du fônd dans les bidons“.
Entscheidend ist, dass es völlig egal ist, worum es geht.
Auf französisch klingt es einfach besser.
Und fühlt sich damit für mich besser an.

„De bas-étage en rue,
de partâge en vertue
je ne cesserais jamais
d’adôrer le Francais.“
(Linhof)

TatGott.

Vier Erkenntnisse aus dem heutigen Tatort (und dem erstaunlichen Drehort „Jüdische Gemeinde“):
1) Die Deutsche Bank würde sich freuen, derart repräsentative Räume vorweisen zu können.
2) Das KZ Dachau sollte endlich mal besucht werden.
3) Wer an was glaubt, statt es zu glauben, ist verloren.
4) Mein derzeitiger Lieblings-Judenwitz: Rabbi wird auf einsamer Insel abgesetzt. Nach Jahren wird er besucht. Alles gut, bestens organisiert, zwei Synagogen. Warum zwei?, fragt der Besucher. Der Rabbe zeigt mit verächtlichem Tonfall auf eine davon: „In die gehe ich nicht!“.
Love.

La Marée Basse.

Si tu aimes lés éclaircies, mon enfant, mon enfant,
Prendre un bain de minuit dans le grand ocean,
Si tu aimes la mauvaise vie, ton reflêt dans les temps,
Si tu veux des amis, prèt de toi, tout le temps ….

Aber nicht um jeden Preis.
Also Spielverderber.
Ich spiele kein Facebook,
ich spiele nicht Daten,
ich spiele nicht Spuren,
ich spiele nicht Familie,
ich spiele nicht Auto,
ich spiele nicht Besitz,
ich spiele nicht mit Geld,
ich spiele nicht Steuer,
ich spiele nicht mal Beruf.

Si tu aimes la marée basse, mon enfant, mon enfant,
Le soleil sur la terrasse, et la lûne sous le vent,
Si l’on perds souvent ta trâce, dés qu’arrive le printemps,
Si la vie te dépasse, … passe mon enfant.

In Hamburg bläst es endlich.
Bin schon fast wahnsinnig geworden von dieser Windstille.
Neben dem Niedergang der Zivilisation ist Wetter das Spannendste, was passiert.
Zurück zur Ebbe:

Ce n’ais pas ta faute – c’est ton héritage,
Et ca serat pire encore, quand tu auras … mon âge.
Ca n’est pas ta faute, c’est ta chair, ton sang,
Il vas falloir faire avec … ou … plutôt sans.

Bonne nuit.
© Benjamin Biolay et al

Zweitfernsehen.

Zweitfernsehen bedeutet, dass man zweitfernsieht.
Also nah sieht (Alltag) und zweitens fern sieht, während man fernsieht.
„The Departed“ und „Get Shorty“ an einem Abend: da kann man sich nicht beschweren. Zumal unterbrochen von einer hochkritischen Nachtausgabe mit Schelte für die Blinden. Auf dem Auge, dass ihre Welt aufrecht(s) erhält. Aber aufgepasst. „sie“ verabschieden gerade parallel einen Haushalt, der um fast 20% höher ist, als das zu erwartende Einkommen (306 zu 280 Mrd.). Und uns bieten sie 2% an. Und den langjährig Lebensversicherten bald nur noch 4%.

Die Ausbeutung wird ungeheuerlich.
Die Wetter explodieren.
Die Revolutionen implodieren.
Die Akteure sterben.
Die Hunger werden mehr.
Die Wüsten auch.
Die Kinder sind dumm.
Und wir sind untätig.

Stornofinger
Ausgleichslappen
Wischkern
Wegewalt
Wolkenfurz

Les adultes.

„… et les adultes sont tellement cons,
qu’ils vonts bien nous faire
une nouvelle guerre.“ (Brel)
Jetzt ist der Iran dran.
Und jedes vorschnelle Urteil zur Reform und Unabhängigkeit der Amerikanischen Justiz obsolet. Wahrscheinlich werden sie auch noch Atom- oder Chemiewaffen finden, die gegen, äh, was gerichtet sind, was gegen die Interessen etc…