Mehr Hass!

„Mehr Hass bitte!“ pflegte der knorzige Trainer einer Kreisklassenfußballmanschaft im Münchener Um- und Vorland seine wenig begabten Abwehrspieler beim Training immer anzuspornen, wenn sie wieder mal zu zögerlich, ja nachgerade humanistisch ihrer Aufgabe in der dienstäglichen Simulation „lebensentscheidender Schlachten“ gegen fiktive Gegener, die von den eigenen Sportskameraden dargestellt wurden, nachkamen.

Heute war in der Zeitung zu lesen, dass eine Herr Haß, seines Zeichens höherer Beamter im Poliziedienst, zuständig – soweit ich es verstanden habe – für die Beobachtung und nachfolgende Ahndung von Gewalt im Zusammenhang von Demonstrationen, am Rande einer Neonazidemo, von einem Untergebenen mit Pfefferspray attackiert und ordentlich traktiert wurde, alldieweil, dieser (der untergebene Beamte) ihn a) für einen (so der Zeitungsbericht) „Autonomen“ gehalten und b) (fast überflüssig, zu erwähnen) nicht erkannt habe. Der kurze Bericht war flankiert von einem Foto, das den Akt des Pfefferbesprayens darstellte: Der untergebene Beamte steht dabei vorbildlich und recht dynamisch wirkend im Bogenstand, ganz ninja-mäßig und reckt die Faust mit dem Pfefferspray zielgenau in Richtung Kopf von Haß – wäre es eine Dienstpistole mit Kaliber 9mm gewesen, hätte er Haß original schön mitten zwischen die Augen getroffen. Offenkundig sind die Mitarbeiter des höheren Poilzeibeamten Haß in diesen Belangen hervorragend ausgebildet! Offenkundig ist Haß im Moment der Aufnahme vom fatalen Pfefferstrahl noch nicht hinreichend getroffen, ja sich des brutalen Angriffs noch nicht einmal ganz bewusst: noch schaut er neutral in die Gegend, des Angreifers offenbar nicht gewahr. Man hätte gern eine Vorher-Nachher-Bildstrecke gesehen, aber nun… Bemerkenswert an dem Foto ist allerdings, dass man das Gesicht von Haß, wie angedeutet, gut erkennen kann, während das Gesicht des untergebenen Polizeibeamten und Angreifers, dessen Funktion und Status an seiner grünen Dienstjacke mit der Aufschrift „POLIZEI“ unzweifelhaft festzustellen ist, von den Redakteuren der Zeitung (es handelt sich dabei um eine Reproduktion in der „Süddeutschen Zeitung“) derart verpixelt wurde, dass eine Identifizierung des betreffenden untergebenen Polizeibeamten für den Betrachter des Bildes bei bestem Willen unmöglich wird. Angesichts des Fotos und seiner abgebildeten Konstellation drängen sich dem Beobachter sogleich zwei Fragen auf:

1. Was hat die Redaktion in diesem Falle bewogen, das Opfer, nämlich Haß, in seiner Sorg- und Achtlosigkeit deutlich identifizierbar abzubilden, den Täter dagegen zu anonymisieren und zu schützen?

2. Hat Haß den Täter gesehen, bevor ihn der blendende Strahl traf? Kann er den offenkundig grundlos gewalttätigen Polizeibeamten, der ihm zumindest zeitweilig das Augenlicht nahm, identifizieren?

Wohl kaum! Haß wird ins Leere laufen! Und die Presse ist ihm keine Hilfe, verbirgt, wie so oft zuvor, das Antlitz polizeilicher Gewalt, und der höhere Polizeibeamte Haß wird der untergebenen polizeilichen Gewalt unterliegen. Oder verfügt die Polizei womöglich über andere Quellen, gar unverpixelte Fotos des Täters? Wird der untergebene Polizeibeamte etwa strafversetzt, sodass er in Zukunft nicht mehr Neonazis vor vermeintlichen Autonomen um die 50 mit grauem Bart schützen darf, sondern, sagen wir, in Asylbewohnerheimen mal so richtig mit Pfeffer für Ordnung sorgen muss? Wir wissen es nicht.Wir wissen nur, dass Haß offenkundig nicht der richtige Ratgeber für seine Untergebenen gewesen ist. Dass da im Zusammenhang mit Haß irgendwas schiefgelaufen ist.

Auf gewisse Weise hat sich hier Haß gegen sich selbst gewendet. Wenn das ein Schriftsteller so erfunden hätte, wäre das Feuilleton voller Häme über ihn hergefallen. Aber gottlob gibt es ja noch die Realität (will sagen: der Teufel steckt im Detail!!!)

Ach so: Wir müssen ja noch an die Einleitung anknüpfen. Also: Mehr Haß (!) bitte, mehr Spotlights auf die Absurditäten und Skurrilitäten, die die wahre Natur unserer Gesellschaft und aktuellen Kultur erhellen, mehr Wahrheit: witzig, traurig, verstörend.

Mehr EIER

Jetzt ist dann bald wieder Ostern. Man fühlt sich genötigt zu feiern. Die Leute wollen wieder Eier, aber nicht die richtigen. Die meisten hatten eh noch nie welche. „Ach nee“, sagt die Frau im Laden vor mir, „keine Bio-Eier, sie sind ja nur für den Kuchen!“ Oder für’s warme Nest. Was man färben kann, auf dessen Inhalt ist geschissen. Fuku-irgendwas wird bald ebenso vergessen sein wie Tscherno-irgendwas und die Sache mit den Eiern und dem Dioxin und der ganzen Kette, wie es da rein kam, ach GOTT, wie kompliziert das auch alles ist, und wie soll ich das alles noch schaffen bis zu meinem Frisörtermin?!!! Und Wowereit grinst in sich hinein und denkt, „Das ist auch gut so!“ Und Westerwelle denkt nicht, hat aber das Gefühl, es hätte besser laufen können. Und von und zu Guttenberg verflucht insgeheim seinen Ghostwriter (der unter uns gesagt, entweder eine ganz hohle Nuss oder ein ganz ausgeflippter Hegelianer sein muss). Angela Merkel findet die ganze Sache mit den Eiern, was sie persönlich betrifft, zu Recht irrelevant. Sigmar Gabriel würde sich gerne seiner Eier schämen, findet sie aber nicht. Für alle GRÜNEN gilt: Eier sind sexistische Objekte, die es zu ignorieren gilt, außer wenn sie Dioxin enthalten. Außerdem hindern einen Eier daran, die CDU des 21. Jahrhunderts zu werden, woran die GRÜNEN gerade arbeiten. Wie schön. Frohe Ostern. Auch ohne Eier!

Souvlaki-Western.

Sie nannten ihn „Api“. Aber sein wahrer Name war Appendizitis, Rezidivio Appendizitis. Klein von Wuchs aber schwer im Kaliber. Ein Giftzwerg wie aus dem Herold. Er kam aus dem hintersten Winkel der letzten Sackgasse Europas, dem Zypern der inneren Organe.

Keiner sah‘ ihn kommen. Aber wenn er in der glühenden Hitze des Oberbauches das Messer zückte, blieb kein Auge trocken. Konvulsivisch zuckend knickten Leiber beim Sockenanziehen ein und röchelnd Verendende wanden sich auf dem billigen Resopal stinkender Krankenhausflure. Bis in den fernen SüdOsten verfolgte er sein Opfer, bis es stumpf dem Mekong beim fließen zusah und sogar dem Fusel entsagte. Wohin seine Klinge sich verirrte war Irrtum, großer Irrtum. Wo er zustach war Schmerz, viel Schmerz. Wo er sich versteckte floß Geld, viel Geld.

The good Ralph, the bad surgeon and the ugly Api aber würden aufeinandertreffen. Um dem Gemetzel ein Anfang zu setzen, ein für alle Formalien. High nun aber nicht mehr Herr Linhof war nah. Und fast hätte es die Flaschen erwischt. Ja, so waren die Zeiten unter den lauten Magnetfeldern des Krankenkassenmittel-Meeres. Aber sie sollten sich ändern. Schon bald.

t.b.c.

Grösster Anzunehmender Unsinn.

Nicht ausreichend Strom, um ein Atomkraftwerk zu kühlen? Meiler mit Batterien?
Interessante Technik, die eine kritische Menge dessen braucht, was sie selbst produziert, um nicht zu explodieren. Das klingt fast so, als würde meine Waschmaschine soviel Wasser brauchen, um nicht heißzulaufen, dass möglicherweise nicht genug davon übrigbleibt, um zu waschen. Oder als wäre manchmal nicht ausreichend Luft in der Wohnung, um Staub zu saugen.
Ich glaube, sowas schaffe ich mir für meinen Haushalt lieber nicht an. Und meinen Nachbarn würde das sicher auch nicht gefallen. So ohne Luft und Wasser, nur weil ich es bei mir sauber haben will.

Die erste Gewalt.

Angesichts Kikis Kommentar, der drohenden Wasserkriege und der Situation in Japan erinnerte ich soeben ein Sprichwort aus Laos, das heisst: „Schnell oder langsam – am Ende gewinnt immer das Wasser.“

Ob als Quelle des Lebens, als Dampfkreislauf der Erde, als Tide, Meerespiegel, Erosion, Überschwemmung, Tsunami, Lebensmittel oder Dürre; selbst in seiner Abwesenheit ist das Wasser das mächtigste Element und der größte Freund und Feind des Menschen zugleich.

Und wir begreifen als Spezies einfach nicht, dass wir Wasser genau deshalb als unantastbares, globales Gut betrachten und deshalb sowohl nationalen als auch privatwirtschaftlichen Interessen nachhaltig entziehen müssen.

Vielleicht sollte es so etwas wie den UNO Wasserrat geben. Ohne Vetorechte für einzelne Nationen und mit umfassenden Ausgleichsfonds zur Rückfinanzierung (oder Vermeidung) von Privatisierungen und Infrastrukturprojekten nach dem Ecuadorianischen Modell des Verzichtsausgleiches. Veolia, Suez und insbesondere RWE wünschen wir dann viel Glück in ihren ursprünglichen Kerngeschäften. Da haben sie nämlich bereits bewiesen, dass sie nur „aussaugen und kapitalisieren“ können.

Sol lucet omnibus.

… oder auch nicht. Im Rahmen der heutigen ZDF-Sendung „Abenteuer Forschung“ zum Schwerpunktthema alternative Energien und „Oil peak“ war mal wieder die Rede von den ebenso elektrisierenden wie spiegelfechterischen Plänen, in Nordafrikas Wüsten die Energie zu erzeugen, die wir zuviel verbrauchen. Es geht beim flächendeckenden Ausbau dieser Technologie längerfristig wohlgemerkt um etwa 17-25% der weltweiten Stromerzeugung.

Nach erhellender Recherche stellt sich heraus, dass das gesamte „Desertec“-Programm für die Weiterleitung der solarthermisch erzeugten Energie in unsere Breiten auf die volle Kooperation insbesondere dreier Länder angewiesen ist: Libyen, Tunesien und Ägypten.

Das wirft ein schräges Licht auf die kleinen Fresnelllinsen in meinem Gehirn, jagt Starkstrom durch meine Nervenleitungen und erhöht den Dampfdruck in meinen Schläfen.

PS: aus den FAQ’s der Desertec foundation: „Es liegt also im Eigeninteresse der stromexportierenden (MENA) Länder, ein günstiges und zuverlässiges Produkt anzubieten, da andernfalls die Nachfrage sinkt und mit dem Ausfall von weiteren Investitionen, Exporterlösen und Arbeitsplätzen zu rechnen ist.“ Nicht für jeden scheint die Sonne.

Ikarus und die Sonnen.

Kann es sein, dass Jean Brasse nun auch in Oberbayern gelesen wird, beispielsweise auf der platten Wiese abseits von München, wohin man schwäbischerseits glaubte, die Redaktionen der „Süddeutschen Zeitung“ zwangsumsiedeln zu müssen? Zumindest scheint die heutige Reflexion der Frage, welches Licht der Fall Guttenberg auf die Medien selbst wirft (Artikel auf der Medien-Seite von Hans Leyendecker), geradezu der Versuch einer Reaktion auf die von Jean Brasse jüngst aufgeworfenen Fragen.

Wer’s lesen mag wird festellen, dass die SZ die Klassifikation der Printmedien, mit der wir uns aus guten Gründen schwer tun, für sich scheinbar gelöst hat: Da gibt es, wörtlich, die „seriösen“ Medien (explizit paradigmatisch vertreten durch – oh Wunder – die „Süddeutsche“ und… die FAZ!) und es gibt in Opposotion dazu „Bild“, womit klar ist, dass aus Perspektive der SZ „Bild“ a) zur Klasse der nicht-seriösen Medien zu zählen ist und b) synekdochisch (*) für diese gesamte Klasse stehen kann. Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang, dass sich die SZ/der Autor dabei nicht einen Piep Mühe gibt, ihre/seine – ja durchaus wertende – Klassifikation argumentativ zu begründen: Was als medial und überhaupt „seriös“ respektive „nicht-seriös“ gelten soll, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Aus der Perspektive der SZ ist die Semantik von Seriosität also offenkundig nicht diskussionswürdig und -fähig (hat also den Charakter eines volxeignen Dogmas, vulgo Vorurteils): Mit anderen Worten: Die SZ macht eben auch nichts anderes als „Bild“, allerdings für eine andere Zielgruppe (und nimmt den Konkurrenten FAZ en passant gleich mit in Sippenhaft; super!). In grauer Vorzeit gab es ja mal den Spruch, der „Spiegel“ sei die „Bildzeitung für Intellektuelle“ – den Posten beansprucht jetzt also implizit die SZ. Ach ja: Der „Spiegel“ wird auch mehrmals erwähnt in dem Artikel, und, jetzt wird’s interessant, außerhalb der gegebenen Klassifikation, woraus wir also folgern müssen, dass aus Sicht der SZ der „Spiegel“ werder eines der „seriösen“ Medien ist, noch eindeutig den „nicht-seriösen“ zugeschlagen werden kann, also womöglich als einer angesehen wird, der gar nicht mitspielen darf, aber auch nicht ignoriert werden kann.

Auf die von ihm selbst aufgeworfene Frage nach der Rolle der Medien in dem ganzen Guttenberg-Drama, bleibt der Artikel übrigens jede ernst zu nehmende (= seriöse) Antwort schuldig. Wäre ja auch ein Wunder: „Selbstreflexion“ und „Selbstbespiegelung“ sind halt semantisch nicht dasselbe.

Worum geht es also wirklich? Nun, um genau das, was wir hier vor kurzem bereits diagnostiziert haben: Um die Etablierung einer ideologisch-moralischen Topographie der Medienlandschaft in den Köpfen der (eigenen) Leser; die Verortung der „guten, informierten, seriösen, kritischen, rationalen… Journalisten/Medien und ihrer Klientel“ vs. … (das kann ja jetzt jeder selber denken) – mit der interessanten Ausnahme derer im „Netz“, die – auffällig! – wieder nicht spezifiziert werden, weder auf Produzenten- noch auf Rezipientenseite (also: da will man es sich offenkundig nicht verscheißen!).

Was das ist? Ganz eindeutig als „Journalismus“ verbrämtes Marketing, ideologisches Grenzscharmützel, Gruppenidentitätsbeschwörungsritual auf dünnstem Eis [kann man schreiben: „auf dümmstem Eis“ -??!- nö].

Ach so: Wie kommen wir jetzt eigentlich zu dem „Ikarus“-Titel? Also: Irgend ein Autor/Medium hat die Tage diese Allegorie gezimmert: Guttenberg flog zu hoch, kam der Sonne der Medien-Popularität zu nah usf. Ach, der Vergleich ist schön, hat er doch das Potenzial, das Schicksal des Barons in archaisch-tragödische Sphären zu heben. Allerdings: mehrere Schönheitsfehler. Weil: Weder taugt der Baron, noch (und noch viel weniger) taugen die Medien zu solch einem Vergleich. Und selbst wenn sie taugten, müssten wir ja, nach allem bisher Gesagten, ein Universum wie in STAR WARS annehmen (man erinnert sich an den Heimatplaneten des jungen LUKE SKYWALKER): mit ZWEI Sonnen. In der Kosmologie der „Süddeutschen“ wäre dann Sonne Nr.1 BILD (von der ein Kollege jüngst sagte, sie habe sich so geriert, als hätte sie KT wahrhaftig selbst gezeugt), und diese Sonne wäre eben nicht gleichzeitig die strafende, die dem Frechling die falschen Flügel versengte, nein, dies wäre die Funktion und Rolle von Sonne Nr.2, der „seriösen“ – sprich „strafenden“ Sonne – die man sich aber nun wieder, wundersamer Weise, entsprechend der Kosmologie der „Süddeutschen“, als Doppelgestirn aus ländlich münchnerischen (SZ) und finanzmetropolitisch frankfurterischen (FAZ) Strahlkörpern vorzustellen hat.

Was lernen wir daraus? Dass die „seriösen“ Medien mit ihrem Selbstverständnis ungefähr da stehen, wo auch die (katholische) Kirche steht: Immer wenn Selbststilisierung und Selbstrechtfertigung derart verschwurbelte (Pseudo-)Theorien zu basteln anfangen, ist das ein deutliches Anzeichen für den Niedergang (ich empfehle hierzu ausdrücklich Michael Titzmanns wunderbares Buch über den Fall Galileo Galilei).

Insofern wir uns zur „Netzgemeinde“ zählen, verbitten wir uns in diesem Zusammhang jeden Versuch der Vereinnahmung durch die „Seriösen“: Mögen diese sich weiterhin für „Information“ zuständig fühlen – wir verstehen uns demgegenüber als Vertreter der Aufklärung.

(* „synekdochisch“: rhetorische Figur aus der Gruppe der Wortfiguren: Dabei wird ein Wort durch einen Begriff engerer oder weiterer Bedeutung, bzw. einen Ober- oder Unterbegriff ersetzt. Beispiel: „Unser täglich‘ Brot gib uns heute“. Brot = Bild / Nahrung = Presse, d. Sezz.)

Collateral damage(s)

KT ist also (vorerst!) weg.

Der Rücktritt ist eindeutig der Kollateralschaden eines Medienkrieges. Genauer: Einer Medienschlacht, die erstmals so groß (im Sinne von: unübersehbar) war, dass der Krieg dahinter nun auch beobachtbar bleiben wird. Dabei gehen die Fronten quer durch die Kanäle – also nicht etwa, wie man uns früher glauben machen wollte, zwischen „neuen“ und „alten“ Medien, sondern zwischen scheinbar affirmativ-konservativen Medien wie BILD (und volxnahen Derivaten im Digitalen) und scheinbar „kritischen“ (Kurzdefinition: „Wächtermedien“, die nicht in der Lage sind, klar zu definieren, was sie eigentlich genau und zu welchem Behufe „schützen und bewachen“) wie SZ, STERN und digitale Derivate. (Und da gäbe es noch viel mehr, was sich derzeit einer Klassifikation entzieht). Die „Kritischen“ haben für’s Erste dieses mediale Armdrücken gewonnen und kommentieren sich in der Folge mit Sicherheit nach dem Motto: „Vierte Gewalt“ funktioniert. Stopp. Demokratie gerettet. Stopp. Werte verteidigt. Stopp. Unglaublich supertolles Zusammenspiel von Presse und „Netzgemeinde“. STOPP.

Vor allem die „Süddeutsche Zeitung“ bastelt mit Verve an diesem neuen Mythos und definiert dabei en passant ihre Rolle in der neuen Medienlandschaft: Die intellektuelle, bewährte, seriöse, investigative, demokratiewahrende, etablierte Presse als edeler Ritter mit dem Knappen „Netzgemeinde“ (für Fußballer: SZ = Sahin, Netzgemeinde = Schmelzer). Gemeinsam hat man nicht nur BILD besiegt (und deren dumme Leser, die ja, wie uns die SZ erklärt, nicht wissen können, was ein „Plagiat“ ist und wozu eine „Fußnote“ dient), sondern auch noch so eine schöne asymetrische Mediensynergie konstruiert. Aber da werdet ihr euch wundern!

Kollateralschaden dabei heute, wie gesagt KT, um den es bei dieser Schlacht nur am Rande ging. Viel schlimmer collateral damage Nr. 2: Die Universitäten. Denn um KT zu killen, hat man medial doch tatsächlich so getan, als seien die „hintergangen worden“, druckt jeden intellektuell unterirdischen Kommentar von Professoren und Dekanen ab, und verschwendet keine aufklärerische Zeile an den desaströsen Zustand der Bologna-Uni-Realität.

Und während der ganzen Zeit wird penetrant über „Werte“ gelabert, das ist das Ekligste dabei. Dabei muss doch jedem, der in den letzten Monaten „Medien“ rezipiert hat, aufgefallen sein, wie da auf’s Deppertste Quotenschinderei betrieben wurde mit einer aus dem Nichts aufgeschäumten, irrsinnigen „Adels-Werte“-Diskussion (Medien sind Maschinen zur Konstruktion nicht vorhandener Fallhöhen!).

Misstraue jeder Gewalt: Auch und gerade der „Vierten“.

Ausgelutscht.

Also nach meinen Berechnungen müsste er binnen 48 Stunden zurücktreten oder über den Haufen geschossen werden. Jetzt, wo sich alle einig sind.
Wer? Ach, ichsachma beide.
So ein Diktator/Verteidigungsminister haben ja auf den zweiten Blick viel gemeinsam: Sie sind wie ein Riesenlolli.
Erst kann man damit auf andere einprügeln.
Dann zeigt man sie auf dem Schulhof herum.
Dann lutscht man sie genüsslich aus.
Schliesslich wirft man das Reststäbchen weg.
Vorzugsweise den anderen in die Räder.
Es bleibt fast nichts übrig.
Ausser einem Grinsen im Gesicht derer, die schon immer gegrinst haben.

Summa cum …

Nachdem mich heute schon drei nette Menschen gefragt haben, was ich denn vom „Fall“ Guttenberg halte, entlaste ich mich durch einen kurzen Kommentar:

Dass Politiker (wie Vertreter anderer Berufsgruppen auch) mit akademischen Titeln, deren Wert höchst zweifelhaft ist, bei schlichten Gemütern (zusätzlich) Eindruck schinden wollen, ist „normal“, längst bekannt und hinzunehmen. Dass Universitäten, Fakultäten und Professoren dabei die Sykophanten und willfährigen Gelegenheitsmacher geben, könnte auch bekannt sein, ist aber nicht hinzunehmen. Wenn dieser „Fall“ etwas Positives bewirken könnte, dann wäre es eine ernsthafte Besinnung auf die Qualitätskriterien wissenschaftlichen Arbeitens und Leistens in der Forschung, das sich – nach von der Institution Universität einstmals selbst gesetzten Regeln – in der Bewertung einer Dissertation eigentlich widerspiegeln sollte. Wer so achtlos mit seinen eigenen Ansprüchen umgeht, wer den Rest von Glaubwürdigkeit und Würde einer für die eigene Kultur so bedeutsamen Institution so schlampig behandelt, – und, nebenbei, alle beleidigt, die mit ihrer Doktorarbeit ganz im Sinne der Erfindung einen eigenständigen und wichtigen Beitrag zur Forschung geleistet haben –, der sollte die Konsequenzen ziehen. Wissenschaftler und Universitäten sind aufgefordert, ihre eigenen Praktiken zu reflektieren und einen Neuanfang zu machen, um ihre Reputation zu retten. Denn bei genauer Betrachtung hat doch „die Politik“ von dieser Causa keinen Schaden („Ist der Ruf erst ruiniert…“) – die Institution „Universität“ sehr wohl. Ein Rücktritt in Bayreuth wäre insofern ein erfreulicheres Signal als ein Rücktritt in Berlin.