Bodo.

Bodo ist tot.

Er war ein feinsinniger, intelligenter Mensch, der Gutem von Schlechtem zu unterscheiden wusste. Unvergessen wird mir ein Abend im Florians (Berlin) bleiben, an dem er allen Ernstes behauptete, der Himmel über dieser Stadt sei „grober Unfug“.

Wim wird es ihm verziehen haben. Wir hatten „Côte de Boeuf“. Und genau das wünsche ich ihm da oben.

 

nyc.

New York ist schon ein Problem.

Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem „Wollen“ so ausgeprägt ist. Was an sich keine Nachricht wert, wenn es nicht so virulent wäre. Es gibt in der Welt, wie ich meine, eher zu viele Leute. Wenn die sich dann zusammenballen und ganz viel wollen kommt ein kulturelles Wunder zur Blüte. Alles arbeitet, macht viel und redet ausführlich darüber. Bis dahin d’accord.

Wenn dann also Menschen dort hin fahren, dann wollen sie immer was. Und wenn man am Times Square auftaucht und Herr Martin macht mal schnell ein kleines Coldplay-unplugged-Konzert, dann ist natürlich was gebacken.

Aber diese Stadt frisst einen auf. Diese Permanenz von Impetus. Und für die sprachliche Entspannung: le immer wollen. Ist aber ein Deal. Manhattan or Nottingham. Kann ich gut nachvollziehen. Man will ja nicht in Neuperlach und doch auch nicht in Williamsburg leben, oder? Und die Optik erschöpft sich dann auch. Aber diese unvorstellbare Energie ist so unglaublich … wie Mumbai nehme ich an. Oder Lagos. Oder Saigon. Eines kann sie allerdings wie keine andere: wenn jemand dort ist, wähnt man sich bei ihm/ihr. Es greift eine Art kulturelle Solidarität, die jenseits aller antiamerikanischen Zuckung Empathie für die Person in der Fremde generiert. Andererseits kann einem das auch in Bangkok passieren (vorausgesetzt dass man „die Stadt“ kennt). Und in Paris ist sowieso alles anders. Insofern:

„Ca n’est pas ta  faute, c’est ton heritage.

Et ca cera pire encore, quand tu auras mon age.

Il vas favoir faire avec …. ou sans.“

 

Blickfang.

Eine Designmesse also sollte es sein. Der Flyer lag in aufdringlich pinklastiger Kartonage so lange herum, dass er – ganz im Gegensatz zu Anderen seiner Art – bis zum tatsächlichen Zeitpunkt der Veranstaltung in unserer Wohnung überlebt hatte. Nungut, Ehre, wem Ehre gebührt und ein latentes Schnäppchenjägersyndrom im Hintergrund da hin; wenig Erwartung, viel Eintritt.

Und zu meiner großen Überraschung fanden sich, ohne langes Suchen, schon gleich zu Beginn Artefakte, die sowohl geschmackvoll, als auch durchdacht und manchmal gar von einer wirklich guten Idee durchdrungen waren. Insofern, als dass die Form ansprechend, die Funktion erfüllt und der Effekt besonders waren. Reflex: „bestimmt sackteuer, der geile Kram“. Aber wieder nein. Man musste nicht einmal den bereits recht präsenten 3-D-Drucker bemühen, um mit modernen Techniken, angewandt auf allerlei Materialen von Bambus bis „Fein-Polistirol“ (auf gut Deutsch: es gibt noch keinen Namen dafür), Objekte zu kreiieren, die selbst mich als Materialverächter in den Bann zu ziehen vermochten.

Und dann fragt man(n) leicht hämisch nach dem Preis, und, äh, da müsste dann schon Ikea oder H&M herhalten, um ihn massiv zu unterbieten. Will sagen: für handgemachtes, Kleinstserien und massgeschneidertes muss man offensichtlich nur bereit sein, 10% mehr zu zahlen – als in jeder Schreinerei, einem Einrichtungshaus oder einer Mode-Boutique. Die Qualitäten der Materialien sind aber teilweise exquisit und weit von Massenware entfernt. Nur das Finden dieser Pioniere ist schwierig, und die haben alle kein Geld, sich breiter bekannt zu machen. Also kam auch noch so eine Art „Exklusivitätseffekt“ dazu, der dann alles adelt, worauf Du geruhst, Deine Augen zu richten.

Schönes Ding. Aber jetzt mal sachlich: gute Statik macht tolle Optik, Weglassen ist das neue Schwarz, und never forget function scheint inzwischen Lehre zu sein. Herzlichen Dank dafür. Und weil die Überraschungen zu Qualität der Ausführung, Liebe zum Detail und Formenimagination eine Wohltat für die Augen und das Schamgefühl waren. Und für den massgeschneiderten Rock meiner wunderschönen Frau. Der kommt dann im Frühjahr aus Serbien.

Wenn es das bis dahin noch gibt.

Kmg.

Kunst macht glücklich.
Von 200,- bis 7.500,- € war die Ansage der „Affordable Art Fair“. Ganz günstig für Glück. Persönlich fand ich zwar, dass das wahre Glück erst bei € 2.000+ anfängt aber sei’s drum. Zahlen sollte man dann, wenn sich etwas aufdrängt; wenn ein Bild oder Bildnis zwingend wird; wenn es schreit, dass erstmal der Preis egal wäre, und man dann erst guckt … und es plötzlich im Rahmen des Möglichen das Gehirn verdreht, den Puls erhöht und einen imaginären Platz in der Wohnung einnimmt (ein weit unterschätztes Kriterium).

In allem was da hängt, liegt, steht, sieht man Gestaltungswillen und Mut und Wollen. Das ist schockierend, in der Menge.

Von Fotografen, die sich kreativ und am Computer überschlagen, weil sie glauben, vielleicht keine Künstler zu sein und farbigst möglich dagegen anstinken; gerne mit Ausflügen in den „real deal“ (Scorsese revisited), bis zu mexicanischen Hyperrealisten mit Hang zum Melodramatischen (nichts neues) und neuer Deutscher Sachlichkeit 2.0 war alles dabei, was einen langweilt. Dann schärft sich der Blick, die Ecken werden erkundet, die Zweitpassagen aufmerksamer,; der Gesamteindruck fließt in die Einzelheit. Dann stechen plötzlich Artefacte hervor, die im Vorbeigehen untergegangen, später im Zurückeilen überflogen wurden. Fotos, die Fotos sein wollen; Bilder in Öl, die genau das sind; und Mixed Media, die mixed media sind.

Erstaunlich finde ich nachträglich vor allem, dass Die Sachen Sachen sind. Und wenn sie mehr sind als Sachen, dann sind sie einer genaueren Betrachtung Wert. Und wenn sie dann noch viel mehr machen als Sachen, dann sind sie WERT, den inneren Kreis des privaten Lebens zu betreten – und sei es nur, an einer Wand.
Nach der Glocke um 18:00 Uhr (eingeschlichen) verwandelt sich die Kunst übrigens in Packware (siehe Keinbilder); fieses, empfindliches Zeug, das nervig in Bläschenfolie gepackt werden muss. Nimbus sofort verflogen, Glamour weg, Glanz wird zu Stückgut. Aber damit plötzlich greifbar als etwas physisches, als Material, als Format. Und allein das ist in Zeiten übergriffiger Virtualität schon wohltuend – auch wenn Meisterwerke verpackt werden wie Schweine auf dem Weg zum Schafott.

Ecklestisch.

Zwei Gedanken an einem Abend seien erlaubt.

Ich sitze hier, in meiner Deutschen Wohnung mit französicher Vorgeschichte, esse nach orientalischem Kichererbsensalat aufgewärmt Thailandish, trinke dazu Spanischen Wein und höre Musik von der Westküste Afrikas. Holländisches Gras und Spanischer Fussball. Griechischer Schafskäse und Cambodschanische Freunde. Koreanische Technik, Indische Gewürze und Dänische Wochenend-Trips. Amerikanische Kriege und Polnische Freiheitskämpfer. Argentinische Tänzer und Südafrikanische Golfplätze. Portugiesicher Fado und Ecuadorianischer Dschungel. Die Ekletik der kulturellen Erfahrungen überspannt sich – multiparalell zur Globalisierung.

Zumindest werde ich behaupten können, die Welt im Rahmen ihres neuen, hybriden Selbst erlebt zu haben. Nach den 80ern ist das ein Fortschritt.

Nachtvögel.

Warum das noch keinem (!) als Titel eingefallen ist, fragt man sich. Na gut, es gibt ein schlechtes norwegisches Gruselwerk für Heranwachsende dazu http://www.amazon.de/Die-Nachtv%C3%B6gel-Tormod-Haugen/dp/3423074205 aber nichts wirklich bedeutendes. Ausser dem Bartkauz als Kreuzworträtselaufgabe (Frage: Nachtvogel), einer zweifelhaften Reisesuchmaschinenantwort, (2x sic!) und dass wir alle welche sind und bleiben werden. Außer meiner Lieblingskommentatorin natürlich.

Das macht jetzt 3 tolle Wörter. Und jetzt kommst Du.

Dämpfung.

Trauer um Sihanouk

Small business mit dem Tod

„Es war so still in Phnom Penh.“
Ein Buchanfang mit diesem Satz hätte hier wohl nur hartgesottene „post-war-science-fiction-trash“-Fans in den Bann gezogen. Alle anderen hätten den Kopf geschüttelt oder das verwegene Machwerk mit Verdacht auf Poesie und spitzen Fingern beiseitegelegt.
Es ist in der Tat eine nie dagewesene Konstellation, diese Ruhe, diese Besinnlichkeit. Nicht nur, dass man seit Zeiten der Khmer – also seit über 1.000 Jahren – keinen Tod eines geachteten, ja geliebten Königs mehr zu beklagen hatte. Was wirkt sind die echt empfundene Trauer um einen Mann, dessen Leben und Wirken drei Generationen, zwei Kriege und ein Terrorregime umspannt, sowie die ungewohnte Einsicht der Großstadtkambodschaner, dass es jetzt mal ein bisschen gut ist mit dem Gehupe und Gedrängel und … die großflächigen Strassensperrungen rund um den Palast natürlich. König Sihanouk will jetzt endlich seine Ruhe und die Phnoms gönnen sie ihm. Ich wohne mitten im abgesperrten Gebiet und steige für kürzere Wege … aufs Rad.

Trauer um Sihanouk

Auch ihren Segen hat er.

Hardboiled.

Erstaunlich wie sich Zeichen wandeln.

Wim Wenders „Hammett“ ist so wohltuend alt und so gnadenlos künstlich und so zauberhaft Klischeebeladen – mit Klischees, die mit dem Umgang mit Klischees zu tun haben, meine ich. Mittelbar bedient sich der Autor (und Schreiber im Plot) im Namen des Produzenten eines Regisseurs, der willfährig den Film macht, den sich der Hauptdarsteller wünscht – und wir mit ihm.

Auch generiert er dabei quasi automatisch Nebendarsteller, die dies Vexierspiel gerne mit sich geschehen lassen, denn sie sehen gut aus dabei. Und die Musik spielt dazu. Immer spielt diese Musik dazu. Hilft, bindet, besänftigt, schürt. Dann diese 60er-Beleuchtung dessen, was wie die Vorstellung der 30er in den 80ern aussehen soll – wahrhaft eine Matrioschka. Und die Musik spielt dazu.

Am eindrücklichsten: je plakativer es wird, desto mehr fühlt man sich erinnert an das, was da gerade mit uns in der Realität geschieht. Der totalen Kontrolle des Geldes über die Moral nämlich. Mr. Wulf comes to call. Und wenn die Reihung von scheinbar banalen Vorwürfen gegen die Verwalter des Vermögens unerträglich wird, weil es ihre Natur betrifft, ertappt man sich doch bei dem Gedanken, dass das noch untertrieben ist. Es ging damals um ein paar tausend Dollar.

Wenn Bilder Kindern helfen, sich auszudrücken, um Ängste los zu werden und es therapeutisch gelingt, sie damit von opressiven Zeichensystemen zu befreien, dann ist „Hammett“ im Vergleich ein expressiver Sehnsuchtsort der multiplen Graphen; der tausend Hintergründe auf denen das Böse soweit abstrahiert wird, dass man meint, damit souverän umgehen zu können. Wie alle darin und alle davor. Selbst wenn Blut fliesst. Insofern tröstlich. Und die Musik spielt ja dazu.

Und dann, zwischendurch – im off – hält aufblitzend die Realität Einzug: „Eine Bananenschale … einfach liegenlassen … Schlamperei, sowas!“. Hilflos, menschlich, bezaubernd.
Und John Barrys unsterbliche Klarinettenmelodie spielt dazu.

„The fundamental things apply,
… as time goes by …“
(Hermann Hupfeld)

Wunderbare Träume und gute Nacht Ihr …

La Marée Basse.

Si tu aimes lés éclaircies, mon enfant, mon enfant,
Prendre un bain de minuit dans le grand ocean,
Si tu aimes la mauvaise vie, ton reflêt dans les temps,
Si tu veux des amis, prèt de toi, tout le temps ….

Aber nicht um jeden Preis.
Also Spielverderber.
Ich spiele kein Facebook,
ich spiele nicht Daten,
ich spiele nicht Spuren,
ich spiele nicht Familie,
ich spiele nicht Auto,
ich spiele nicht Besitz,
ich spiele nicht mit Geld,
ich spiele nicht Steuer,
ich spiele nicht mal Beruf.

Si tu aimes la marée basse, mon enfant, mon enfant,
Le soleil sur la terrasse, et la lûne sous le vent,
Si l’on perds souvent ta trâce, dés qu’arrive le printemps,
Si la vie te dépasse, … passe mon enfant.

In Hamburg bläst es endlich.
Bin schon fast wahnsinnig geworden von dieser Windstille.
Neben dem Niedergang der Zivilisation ist Wetter das Spannendste, was passiert.
Zurück zur Ebbe:

Ce n’ais pas ta faute – c’est ton héritage,
Et ca serat pire encore, quand tu auras … mon âge.
Ca n’est pas ta faute, c’est ta chair, ton sang,
Il vas falloir faire avec … ou … plutôt sans.

Bonne nuit.
© Benjamin Biolay et al

Zweitfernsehen.

Zweitfernsehen bedeutet, dass man zweitfernsieht.
Also nah sieht (Alltag) und zweitens fern sieht, während man fernsieht.
„The Departed“ und „Get Shorty“ an einem Abend: da kann man sich nicht beschweren. Zumal unterbrochen von einer hochkritischen Nachtausgabe mit Schelte für die Blinden. Auf dem Auge, dass ihre Welt aufrecht(s) erhält. Aber aufgepasst. „sie“ verabschieden gerade parallel einen Haushalt, der um fast 20% höher ist, als das zu erwartende Einkommen (306 zu 280 Mrd.). Und uns bieten sie 2% an. Und den langjährig Lebensversicherten bald nur noch 4%.

Die Ausbeutung wird ungeheuerlich.
Die Wetter explodieren.
Die Revolutionen implodieren.
Die Akteure sterben.
Die Hunger werden mehr.
Die Wüsten auch.
Die Kinder sind dumm.
Und wir sind untätig.

Stornofinger
Ausgleichslappen
Wischkern
Wegewalt
Wolkenfurz