21.

Ob ich mich jemals an diesen semi-stretch-cotton-schick gewöhnen werde, der junge Mädchen heute verunziert, steht insofern nicht zur Debatte, als das mir klar wurde, das ich deren Vater sein könnte (21+26=47) – und dann hätte ich mir sogar noch gut Zeit gelassen. Wir hatten zwei 21-Jährige junge Damen zu Gast. Sie reisen gern, sind unbekümmert und zukuntsorientiert, aber total verpeilt, wenn es um die Unterschiede im Jetzt geht.

Wie auch immer: die Erfahrung war wieder durchschlagend. Insofern, als dass solipsistische Schleifen um das eigene, unfertige Selbst einen Sog entwickeln, der Kritik unvermeidbar macht. Und leidenschaftliche Vorträge gefallen mir ebenso wie Hartnäckigkeit in der Argumentation; auch wenn sie Schwachstellen aufweist. Warum sollte jemand ein Praktikum in Jerusalem machen? Als Photograph jedoch bringt Mademoiselle die „wahre Geschichte“ und „ich will es selbst sehen!“ in Stellung. Stark (hoffentlich garniert mit den „wahren Gesichtern“). Interessant und verheissungsvoll aber nur durch die Lausigkeit der Alternativen (haltet Euch fest) Lissabon und, ähem, Barcelona bestätigt. Da bleibt einem nur noch ein gestammeltes „ja, sind ja auch beide schon zu tode fotographiert!“ – aber, hey, wo willst Du leben?

Umgekehrt gibt es Phasen, in denen man staunend vor der Jugend, ääh, sitzt und sich fragt: wo verdammt nehmen die ihre Unbekümmertheit her!? Bis man begreift, dass das der Urzustand ist, aus dem man sich herausbewegt. Verschieden schnell und mit sehr unterschiedlichen Perspektiven. Aber er wird gelebt. Wir imaginieren ihn nur noch. Und wieder: deshalb reise ich.

Illustrativ währe das ein heiss-kalter Wechsel zwischen hemmungslosem, auf „das Nächste“ gerichtetem Elan. Inklusive der allfälligen Meldungen an die Pseudo-Öffentlichkeit der Facebook-Gemeinde. Schneller Post kurz vor dem Verlassen des Hauses um, röchel, 23:30 h, nach dem Moto „SindJetztaufPiste“.
Zitat: „Könnte ja sein, dass die meinen, dass wir hier rumpennen oder so.“. Das nenn‘ ich mal sozialen Druck.

Und wieder anders: spontane Begeisterung für Schönes, für gutes Essen, für Licht, für kleine Witze, für Infos, Infos, Infos. Und für kleine Sachen. Und für schräge Sprache bzw. Codes. Also für Verständigung. Alles schön.
Aber 21 will ich nie, nie mehr wieder sein.
Das wäre wie 26 Runden Safety-Car nachdem man in den Boliden gestiegen ist.

Was bleibt? Wie immer: lernen.

Love.

Auch ach so LEID oder la lotteria continua

Tja, mir tut es auch leid. So lange nix. Grobe Verletzung der Bloggikette. Nu aber schnell ein paar Wochen (ui) im Zeitraffer nacholen:

Fing alles an mit dem Herrn Sarrazin oder so: Hätte man einerseits unbedingt was zu schreiben wollen, wurde allerdings von der Schwemme meist unintelligenter = so voll am Punkt vorbeigehender, hypernarzisstischer Leitartikel abgeschwemmt, dass man sich einfach durch Schweigen ausdrücken musste. Lieber mit wichtigen Dingen beschäftigen… (Dennoch werden wir in Zukunft zur Bezeichnung von Argumentationstypen, die sich durch Dekontextualisierung, hetzerische Verkürzungen, Dedifferenzierung und populistische Berufung auf statistischen Datendünnschiss auszeichnen, das Adjektiv „sarrazinesk“ verwenden).

…Was uns augenblicklich zu einer Prolepse zwingt: Oktoberfest in München. An einem der Bahnhöfe im schönen (???) Niedebayern steigen die deutsch=bayerischen Mädels ein (Wesen also, deren Migrationshintergrund so lange zurückliegt, dass er sich optisch für die Heutigen nicht mehr ad hoc erschließt: vulgo Eingeborene). Gestylt wie die armen Frauen, die am Straßenstrich (sagen wir: vor Arezzo, nachts um elf und vier Kilometer weit draußen, you know what I mean) ihrem traurigen Schicksal entgegenhängen. Bringen zu dritt freundlich geschätzte 250 kg auf die Waage. Die eine eine Flasche braune Brause unterm Arm, die andere eine volle Flasche Bourbon… Aussteigen in München (auch bekannt als das Millionendeppdorf – beim Oktoberfest sind es ein paar Hundertausende mehr): Und im Abteil der deutschen Damen kullert die leere Whiskeyflasche herum und auf geht’s zur Wiesn! Schon untergehakt: trichinenbefallene Trachtenträger (ebenfalls: doitsch). Wieso, schießt es mir durch den Kopf, wäre es nun so schrecklich schlimm, wenn die sich, sofern Herr S. richtig liegen sollte, abschaffen sollten? Sollen sie natürlich nicht: Sie sollen wählen, sowas eben , nach dem Topf-und-Deckel-Prinzip.

Welt schlecht eingerichtet: Kotzen müssen die, die nüchterne Betrachtungen anstellen und nicht die, die im Zug zur Wiesn 1 Flasche minderwertigen amerikanischen Schnaps saufn.

Gute Erlebnisse: immer wenn man Menschen in einem Umfeld begegnet, wo sie etwas tun können, wo man ihnen Türen öffnet zu Mitgestaltung, wo man ihnen zuhört und sie in Kommunikation bringt, die Optionen aller Beteiligten aufzeigt, vermehrt, macht man die Erfahrung: Ja, ja, ja! Es geht was! Dieses Land und diese Leute können noch viel mehr, sind gut drauf, haben Potenzial (und ja: es macht verdammt viel Spaß, Berater zu sein, wenn man nicht gerade für DAX-Unternehmen arbeiten muss). Kurz: Scheiß auf das BILD der Republik in den Medien: insbesondere Tageszeitungen, TV, „Sachbücher“).

Auch gut: Stuttgart 21 – also selbstredend die Reaktionen darauf. Wer bitte hätte vor 1 Jahr oder so vermutet, dass ausgerechnet die braven Schwaben…??-!!! In Nürtingen hat jetz einer schon eine Agentur gegründet, die krebskranke Alt-68er vor ihrem absehbaren Ableben zum HBF Stuttgart karrt (mit allen Annehmlichkeiten, versteht sich), damit sie im Angesicht des Todes SOWAS nochmal live erleben können. Aber ernsthaft: Chapeau Stuttgart! Deutschland robbt sich ran: an demokratische Selbstverständlichkeiten nämlich. An die Tradition der Aufklärung. An die Zukunft! (-???)

Zu den vielerlei Dingen, die es zum Diskurs um „Stuttgart 21“ anzumerken gelte nur eines: Am selben Tag, an dem Herr Grube (aufgemerkt: die alten Römer wussten, dass Namen eine tiefere Bedeutung haben!) meinte, sagen zu müssen, dass es ja allein aufgrund der Tatsache, dass man bereits 470.000.000 € in die PLANUNG des Projektes investiert habe, kein Zurück mehr geben könne und dürfe, berichteten die Zeitungen wieder einmal, dass wir (bzw. die) Steuerzahler für die Wahnsinnstaten der HRE Bank mit 150.000.000.000 € bürgen (tja Freunde: auf das „Bürgen“ scheint sich derweil die Rolle des „Bürgers“ zu beschränken): Okay, das Ausschreiben von Zahlen ist vielleicht auch nicht immer soooo sinnfällig. Also anders: Wir reden hier über einen Faktor von 320! Das Äquivalent zur „HRE-Rettung“ ist die Option, es sich 320 mal leisten zu können, einen umstrittenen Blödsinn von Großprojekt zu lassen oder einfach neu in den Dialog zu treten, um es BESSER ZU MACHEN. 320 Mal Zukunft. 320 Mal Demokratie. Aber natürlich: Milchmädchenrechnung: Es würde ja nur einen lächerlichen Bruchteil der lächerlichen 470 Mio kosten, von vornherein alle längst bekannten Methoden der Beteiligung, der Diskurssteuerung, der Planungszellen etc. anzuwenden, gute Moderaroren, Berater und Supervioren einzubeziehen, um solche Projekte zunkunftfähig, konsensfähig, nachhaltig zu gestalten. Frage: Wer hat was davon, dass man es NICHT so macht?

Was weiter: Zwei Sätze einer lieben Freundin aus den letzten Tagen, die unbedingt weitergegeben werden müssen:

1. angesichts der Äußerungen eines Herrn Roland Koch, der jetzt auch ein Buch geschrieben hat: „Konservative sind Menschen, die es nicht ertragen, dass andere auch Werte haben und damit sie darüber erst garnicht diskutieren müssen, sagen sie gleich: Die anderen haben überhaupt keine Werte.“

2. „Leber lieber ungewöhnlich!“ (Und wenn das jetzt die jüngeren jeanbrasse-LeserInnen nicht gleich verstehen, weil sie den entsprechenden Spruch nicht kennen – vulgo: ein Intertextualitätsproblem haben –, dann macht das nix.)

Things are moving too fast.

Kleiner Nachklapp zum Konzert.
Der Sänger ist übrigens auch der Pianist.
Schwer zu glauben, iss aber so.
Link im weiteren Textteil.

Bald mehr von RE:PRESENT.
20.12. in HH. Gala.
Love,
R.

Das Feierabendvideo:

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…nach 9 Stunden Unterricht mit den 20 besten Schülern aus 10 deutschsprachigen Schulen…

Quack.

LeutediedenMusiktheaterArtikellesenmöchtensollenweiteruntenGucken.

Ente ist Soulfood.
Wenn Menschen gute Ente essen, werden sie ebenso freundlich wie enthusiastisch, und duldsam. Wie sagt der Vietnamese: Die Ente, der Karpfen und der Ralph sind die Säulen des Landmannes Küche.
Tien Hu sagt:
„Wie es essen soll“
„Wie es sprechen soll“
„Wie es ein Paket verpacken soll“
„Wie es ein Paket öffnen soll.“
Dafür koche ich.
Heute Barbarie-Entenbrust im eigenen Jus.
Dazu eine Art Gemüse-Risotto „Basquaise“.
Gute Nacht.
R.

Hellrider Cup.

Das kann einen ja für Tage fast lahmlegen.
Und dann gewinnen doch die Europäer.
14 1/2 zu 13 1/2.
Es war ein großer Kampf.
An dessen Ende nur noch individuelle Klasse entschieden hat.
Und nicht das beschworene, verschworene Gruppengefühl, dass die Europäer als „Image-Tag“ für immer in einen gewissen Vorteil setzt. Wie gestern gesehen. Ja, da war es.
Aber heute ging es auf den letzten Metern (literally!) nur über Persönlichkeit.
Diesbzgl. geht unser Dank auch an Westwood, McIllroy, Jimenez, Moli II … und Graeme, den verschissenen Walliser.
Sehr erleichtert ob des Kampfes der Systeme (stell‘ mal Stricker, Cink und Furyk in eine Reihe und Du weisst, dass sie in der Bush-Ära selbst diese Typen geklont haben), der knapp gewonnen wurde.
Anyway: ein schöner Tag für das Golf.
Selbst so, wie Knut das spielt (;-).
Love,
R.

Musiktheater.

Das Unmögliche an Musical ist, dass es so an der Realität vorbeigeht; dass Eskapismus die vorherrschende Komponente im Mix aus feinstem Handwerk, engagiertem darstellerischen Willen und grauenvollem Kitsch ist. Dass dem Anders sein kann, hat der Konzertabend von RE:PRESENT mit Jason Robert Brown und den üblichen Verdächtigen gezeigt: und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Hier wurde vorge-zeigt, was GEHT im Genre der gerontologisch bedrohten Zielgruppen. Zwar war der überwiegend junge, workshopträchtige Teil des Publikums sachgemäß informiert über den Star-Status des Protagonisten, wollte sich aber dankenswerterweise nicht als billige Klaqueure verdingen – was den anderen Teil (ausnahmslos Kenner der Szene) dennoch von den Stühlen riss.
Große Freude unsererseits.
RE:PRESENT is on the map.

Wenn also die Deutsche „Creme“ aufläuft: Zodwa Zelele elelegisch (Dank an Tro(H)ja), Sabrina downtown soult, Pia sich den Wolf spielt, Alexander elegisch (werden muss), Charlotte roehren soll; Sabrina das aber viel besser kann, Pia immer noch spielt und ein Volkan Baydar endlich mal aussingt und zeigt, was er kann (was Jason kaum glauben mochte und mit einem breiten Grinsen quittierte); die „Running Order“ damit ad absurdum führte, die Kids in der ersten Nummer nach der Pause aber alles vergessen machen und zu den heimlichen Stars des Konzerts aufsteigen; dann, ja dann ist es ein Wagnis gewesen, dass sich lohnen wird.

Denn wir haben gelernt, dass es ein breites Publikum jenseits des Errechneten gibt, eines, dass sich begeistert für „Fringe“-Aktivitäten jenseits des Mainstream … wie die von RE:PRESENT. Die Mitte ist in dem Fall oben.
www.represent.de

Danke Sim,
danke Ralf,
Love,
R.

Endlich auf jeanbrasse: Preisrätsel!

Anstelle eines ausgedehnten Kommentars zur aktuellen Lage von Kultur und Gesellschaft bringen wir – erstmalig! – ein Preisrätsel: Drei Zitate aus Highlights der Filmgeschichte des vergangenen Jahrhunderts, die, wenn man sie nur einigermaßen intelligent reflektiert, den ausgefallenen Kommentar mehr als ersetzen! Also los geht’s: Zitate lesen, Film erinnern, Bezug zur aktuellen Situation konstruieren, AHA-Effekt genießen… und am Preisrätsel teilnehmen. Hier die Zitate:

„Soilent Green ist Menschenfleisch!“

„Ihr könnt mich alle am Arsch lecken! Ich lass mir das nicht länger gefallen!“

[Guru:] „Ihr seit alle Individuen!“ [Menge:] „Wir sind alle Individuen.“ [Einzelner in der Menge:] „Ich nicht!“

Naaa?!! -??-!!!!

Dann: Die entsprechenden Titel zuordnen. Einen kurzen Kommentar beifügen, in dem man begründet, inwiefern sich die Botschaft der genannten Filme auf die aktuelle Situation beziehen lässt… und ab an jeanbrasse. Alle TeilnehmerInnen gewinnen (möglicherweise) an Renommée.

Lanze für Werbung. Brechen

Es gibt ja immer mehr Leute, die ihre Briefkästen mit Beschwörungsformeln spicken wie: Keine Werbung! (Bitte). Warum das verständlich ist, muss nicht erläutert werden. Warum einem dabei auch einiges entgehen kann, am Beispiel schon:

Neulich fand ich in meiner nicht-virtuellen Mailbox ein nettes Brevier zur Anpreisung allerhand pflanzlicher Wundermittel, ganz prominent beworben dabei ein auf männliche Klientel abgestimmtes Stimulans: „Jeder Mann sollte sich eine Erektion leisten können – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten!“. Und, wie der Himmel so spielt, daneben der Handzettel des lokalen Alimentari mit italienischer Handwerkstradition: „Wir haben eine Nudel für jeden Anlass!“. Ich finde, die beiden sollten sich grundsätzlich zusammentun. Etwa so: „Wir haben eine Erektion für jeden Anlass!“ und „Jeder Mann sollte sich seine Nudel leisten können – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten!“. Beratungsaufträge nehmen wir jederzeit gerne entgegen.

Frikadelle.

Unter diesem Rezept ist der eigentlich interessante, wenngleich wirre Artikel. Aber wenn aus den armen Schichten schon Hackfleisch gemacht wird, hier abschließend und bitte ohne Widerrede: Die beste Frikadelle der Welt.

1 Zwiebel
1 Zehe Knoblauch
4 Stengel Petersilie (mit Stengel)
fein hacken und alles sanft glasig anbraten (wenn ablöschen, dann dafür sorgen, dass keine Restflüssigkeit bleibt), beiseite stellen.

100 G. trockenes Weissbrot (oide Semme oder doppelt getoastetes)
mit Milch einweichen, ggf. auspressen, fein hacken.

400 Gr. gemischtes Hackfleisch,
1 Ei
das Brotgemisch
die Zwiebelmischung
mit
gut Salz,
ordentlich Pfeffer,
nach Gusto Cayenne-Pfeffer (da geht einiges),
3 Prisen Kreuzkümmel (Cumin/unverzichtbar, schmeckt dann aber nicht danach),
1 Esslöffel scharfem Senf
vielleicht auch noch süßem Senf,
möglicherweise gemörserten Fenchelsamen,
vermischen zu einem glatten Teig.
1 Std. stehen lassen (oder auch nicht).

Mit nassen Händen Bällchen oder Fladen formen.
In reichlich Öl (Raps Distel, Olive – auch gemischt)
ausbacken, d.h. mehr als braten, weniger als frittieren.
Öfter vorsichtig wenden (achtung, sehr fluffig) bis beidseitig zu dunkel.

Auf Küchempapier trockenlegen und mit parallel gemachten Pell- oder Bratkartoffeln und Kräuterquark servieren. Dijon-Senf dazu. + gewässerte Radieschen + Cotes du Rhône.

Legt Euch gehackt!

R.