Die Ungeheuerlichkeiten, die täglich aus dem Weissen Haus zu uns dringen möchte man gerne mit einem spöttischen Lächeln samt hilflosem Schulterzucken abtun. Leider aber sind sie global relevant. Offensichtlich ist die Restadministration der U.S.A. (parteienübergreifend) nunmehr damit beschäftigt, einen Sicherheitscordon um eine gefährliche und die Allgemeinheit gefährdende Person zu ziehen, deren Verhalten nicht nur sprunghaft und unberechenbar, sondern in höchstem Maße irrational und paranoid ist. Die Tatsache zum Beispiel, dass ich den Namen der betreffenden Person in diesem Artikel nicht nenne, erspart mir geschätzte 80% des üblichen tracking-hassles. Das ist keine Verschwörungstheorie sondern kann mit einfachen Mitteln überprüft werden. Ebenso wie die Aussagen jenes Herrn auf Twitter und Fox News. Nach der Lektüre dieser und anderer, teils hochoffizieller Quellen, komme ich zu dem Schluß, dass unsere Welt ein Stückchen übersichtlicher geworden ist. Und ich dachte immer, dass sei was gutes …
Archiv der Kategorie: Umwelt
Cuba1 – mas que nada.
Dies ist der erste von 3 Artikeln, die mit dem gebotenen Abstand von 3 Wochen nach unserer Reise nach Cuba (auch in Zukunft mit „C“ geschrieben) veröffentlicht werden. Es war spannend; aber kein Spass.
„Mas que nada“ heisst (wörtlich übersetzt) „mehr als nix“. Das ist auf Cuba kein Grund zu Trübsal, sondern Anlass zu Hoffnung und Freude. Denn wenn es mehr als nix gibt, gibt es … mehr als nix. Sehr wichtig, das, denn der Cubaner muss sich dauernd und mit fast allem „versorgen“, verbringt irrwitzig viel Zeit damit und hasst nichts mehr als die Leere. Wenn also nur das Geringste weiter oder vorwärts geht, ist schon fast alles GUT. Selbst die kleinste Veränderung zum Positiven wird als echter Fortschritt gesehen. Und der Hauch einer Beschleunigung von was-auch-immer als kraftvolle Entwicklung in die richtige Richtung. Beneidenswert einerseits, entnervend aber auch, denn die Gefeierten Neuerungen sind meist falsche Freunde. Also Waren, die es neuerdings (manchmal) gibt, Busse, die wirklich fahren (aber doppelt überbucht sind), Taxen, die nicht zusammenbrechen (aber ein Schweinegeld kosten), Pensionen, die saubere Betten haben (aber leider kein Wasser) oder Einkommen, die steigen (auf Kosten der Individualreisenden) und öffentliche Ämter-Korruption, die abnimmt (weil sie sich privat viel besser organisieren lässt).
Insofern alles chico, compadre, denn NIX, oder gar Innehalten wäre ja so etwas wie Stillstand; oder der Offenbarungseid und kein „desarollo“ oder – horribilis dictu! – Stille. Denn Stille ist der wahre Horror eines jeden Cubaners. Alle müssen ständig ganz viel reden, sich ihrer selbst versichern, ja selbst die Luft muss immer brennen, mit Geschrei und Musik und Ansagen und Radio und Telefon und TV … denn wenn es nichts mehr zu hören gibt, ist die Welt untergegangen. Problematisch in einem Land in dem die audiovisuelle Technik und entsprechende Medien gerade flächendeckend Einzug halten. Man muss es sich vorstellen wie ein laut brummender Heuschreckenschwarm der über die riesige Insel braust, und mit ihm jede ruhige minute, jeden Moment der Einkehr und der Ruhe hinwegfegt. Da werden Nachbarn lieber 5x am Tag über den anderen Nachbarn unterrichtet, als sich um seine Gäste zu kümmern; alles wird doppelt und dreifach besprochen und bestätigt und von einer Seite des Parque Central zur anderen geskyped – ja, geskyped. Und wir doofen Touris haben für 10% eines Monatseinkommens die läppische Stunde kein Netz, weil die Bandbreite belegt ist.
Blödes Deutsches Gemecker, zweifellos. Die Gründe dafür sind in der Realität aber irgendwann nur noch Anlass zu Wutanfällen oder Fatalismus. Oder zu subversivem Verhalten. Z.B. Leute, die auf der Parkbank für 2 Cent skypen einen CUC (1:1 an den Dollar (!) gekoppelte Touri-Währung) hinhalten und fragen, ob man auch mal darf, denn das würde bei uns zuhause so teuer sein. Oder die indigene Internet-Karte gegen US-Kaugummi oder Gummibärchen tauschen. Oder ein Experiment bei Freunden in Matanzas: Ghettoblaster auf der Terrasse nachts um 12 plötzlich ausschalten. Es dauert keine 30 Sekunden, bis ein anderes Gerät in der unmittelbaren Nachbarschaft losplärrt. Es könnte ja kurz Stille herrschen. Und das ist nicht zu tolerieren.
Ich habe keine Ahnung, ob es die fortwährende Propaganda ist oder die inhärente Abhängigkeit von Kontakten, Nachbarn, Familienmitgliedern und offiziellen Stellen, die permanente Beschallung und endloses Schnattern und absichern und abklopfen so überlebensnotwendig machen. Aber eines ist mal sicher: „mas que nada“ ist auf Cuba – zumindest akkustisch – eine schwere Untertreibung.
Hasta el silencio … a veces.
PS: verpassen Sie nicht „Cuba2 – mas o menos“.
Weniger schön.
Bevor Sie das lesen, sollten Sie lesen, was gut war. Also den Beitrag zuvor. Und die Musik 2016 war wirklich gut.
Danach fällt Ihnen vielleicht auf, dass Mitmenschen mit keinem Wort erwähnt wurden. Das hat den Grund, dass Mitmenschen nicht dazu beigetragen haben, dieses verkommene Jahr zu einem guten Jahr zu machen. Zumindest waren sie kein entscheidender Faktor dafür. Eher dagegen. Und wir wollen hier nicht über die Mächtigen Potentaten auf dem Vormarsch sprechen, sondern eher über die vielen kleinen Diktatoren, die sich nicht scheuen, ihr pervertiertes Kommunikationsverhalten zum Maß der Dinge zu erheben. Wenn es etwas gibt, dass ich am vergangenen Jahr wirklich abstoßend finde, dann, dass es das Jahr war, in dem die Menschen angefangen haben, mit gesenktem Kopf durch die Gegend zu laufen. Und damit meine ich nicht nur die Facebook-Zombies, denen man auf der Straße aus dem Wege gehen muss, weil sie vertieft in ihre virtuelle Welt dem Menschen, der ihnen entgegenkommt keine Achtung mehr schenken (geschweige denn der Meinung sind, sie ihm zu Schulden), sondern die, die sich erdreisten, ihre abseitigen, meist angeschmiegten Meinungen nur noch im Netz divulgieren zu können, ohne in der realen Welt je dafür einstehen zu können. Traurige Gestalten umringen uns, die weder Willens noch in der Lage sind, ihre Ansichten zu formulieren, wenn jemand vor ihnen steht, der möglicherweise Widerworte von sich geben könnte. Was für erbärmliche Loser. Und dabei stets in Gefahr, ihre scheinheilige Anonymität in Mitläufertum und Eiferei (aus sicherer Entfernung versteht sich) zu diffundieren. Diese fatale Mischung aus Öffentlichkeit und Rückzug ist, vielleicht, die neue Basis für gedankenlose Radikalität. Und wie heißt es so schön bildhaft: eine Religion, die Dich in die Knie zwingt, ist eine schlechte Religion. Gilt auch für den gesenkten Kopf. Leider ist das Prinzip dahinter global anwendbar und (per interaktiver „Monstranz“) möglicherweise sogar zu steuern. Damit also ein Grund dafür, dass es ein schlechtes Jahr war.
Die anderen Gründe kennen Sie, geneigter Leser, selbst. Übergriffige Staatsoberhäupter mit nationalistischen Tendenzen. Brexit. Renzis Vorstoß (der Computer-Besserwisser schlägt allen Ernstes „Renaissance“ vor). Volxxabstimmg (Jandl), Europa im Niedergang inkl. der Idée der gesamten Chose und jetzt auch noch Schengen. Sowie ein Rechtsruck allenthalben – fast schon egal ob per Post-Intervention inszeniert für die „nationale Sicherheit“ oder nicht.
Und wie der soeben verstorbene John Berger so treffend sagte: “It seems to me that we have to return, to recapitulate what globalisation meant, because it meant that capitalism, the world financial organisations, became speculative and ceased to be first and foremost productive, and politicians lost nearly all their power to take political decisions – I mean politicians in the traditional sense. Nations ceased to be what they were before.”
Wahr und schlimm genug. Eines aber noch: Wenn die Kunst es sich gefallen lässt, nach ökonomischen Maßstäben auch nur beurteilt zu werden, dann hat sie verloren. Und wir alle mit ihr.
Kampf den Verrätern der Menschlichkeit. Das wird mein Motto für 2017 sein. Tataa! Und der Systemgastronomie!! Tatataa! Ääh, Minions? Wannahavabanana?
I wanna have „La Habana“. Hasta la victoria siempre.
Was schön war.
Ein weiteres Jahr ist um. Zum Glück.
Was schön war:
Viele Reisen. Viele neue Eindrücke der Welt.
Viel neue Musik, neue Gerichte, neue Weine, neue Landschaften. Das Meer wieder gesehen, oft. Gut Golf gespielt. Gut gespeist.
Neue Bilder im Kopf. Neue Idéen. Neue Erkenntnisse. Ein paar Gedichte auswendig gelernt. Quellen gesichert. Autoren entdeckt.
Alte Idéen haben sich bewährt, trotz Stresstest und fundamentaler Veränderung im allgemeinen Umfeld. Das macht gute Idéen aus.
Und eine schwere Krankheit überlebt zu haben. Ohne Erkenntnis allerdings.
Insofern ein gutes Jahr.
Möge 2017 mindestens so gut werden. Denn was schlecht war folgt im nächsten Kapitel. Man soll in der Küche immer die Abfälle vom Essen trennen. Das Leben möchte pariert werden wie ein Hühnerbrustfilet.
Love and dedication is what we need.
Flockchen.
Österr. f. Geld. Penunzen. Kohle. Asche.
Darum dreht sich hier alles. Wer was will, kriegt es auch. Für „Jeld“. Die Unmittelbarkeit, mit der hier, im schönen Tirol, alles, gnadenlos zu Geld gemacht wird, lässt sämtliche „Hilfe- die-Alpen- werden- zum- Spielplatz!“-Appelle wie alttestamentarische Schriften erscheinen.
Kein Entkommen; kein Entrinnen. Jede Bewegung, jedes Bedürfniss hat seinen Preis und jedwede Anwandlung einen umsetzbaren Wert. Obendrein allerdings gibt es perfekt geschultes Personal und immer ein freundliches Wort für die dumme Kuh, die man von Mindestlöhnern melken lässt. Was das alles kostet passt … auf keine Kuhhaut. Und von denen gibt es hier viele.
Es hat heute Nacht Minusgrade. Endlich. Die letzten Teichreserven werden zu Kunstschnee gemacht. Nein (ich wurde heute berichtigt: es heißt „künstlich hergestellter Schnee“) „Kunstschnee“ gäbe es gar nicht. Aber laut ist es, das Granulat, wenn die Schwachmaten mit quergestellten Brettern die topographische Überforderung angehen. Das hört man bis in die Gondeln hinein. Und oben, auf dem „Gipchl“, da klunkern sie mit ihren Botten über den Holzfussboden, das einem das Hören vergeht, und das Geschirr schleddert und die Pizza wird per Lautsprecher ausgerufen und sie schreien sich alle an – denn sie hören ja nix mehr – vor lauter Mützen und Hauben und Helmen und Kopfhörern und brandgesteuerter Coolness.
Nachts dann, einsam auf der Terrasse, bleiben nur noch die Dieselmotoren und das Fauchen der Schneemaschinen. Aber da schlafen sie alle schon. Weil, hey, … morgen geht es ja weiter.
Und die Sterne dazu sind wahrscheinlich nur gutes Marketing.
When the shit hits the fan.
Unter zauberhaftem Sternenhimmel dallern schwere Diesel himmelwärts. Malmend schieben sie Kunstschnee durch den ehedem fruchtbaren Grund der ehemals Bauern; jetzt Hoteliers. Es zischt und faucht die Schneemaschinerie. Rares Wasser, versprüht mit Chemie auf verdichtete Böden. Romantik sieht nicht nur anders aus; sie fühlt sich auch anders an. Und was man hört, des Nachts, unter zauberhaftem Sternenhimmel, ist das hämmern der Geräte; das röhren, nicht der Hirsche, nein, der Raupen. Tagsüber dann fliegende Kanzeln an rotierenden Hightech-Latten, die verdrehte Hightech-Latten-Spacken jenseits der Gondeln retten. Servas Alpen.
Ich jedenfalls werde diesen Wahnsinn nicht mehr unterstützen. Nicht mal mehr mit einem Weissbier; bestellt bei serbokroatischen Saisonkräften die nicht anders können, als dem Tiroler Slang den letzten Anflug von Charme auch noch „auszum’treibn“.
Dankbar dennoch für die frische Luft, das umwerfende Licht und den geilen Ausblick, verbleibe ich, unbeeindruckter Küstenmensch, mit den besten Wünschen für ein möglichst mutiges Jahr.
Bilder unter Bilder.
Mutti reloaded.
Irgendwie kommt es mir vor, als hätte ich bereits vor Jahren einen Artikel unter diesem Titel geschrieben. Woher kommt das nur? Weil mich dieselbe, gähnende Langeweile überkommt wie ein Kotzanfall in Zeitlupe? Und das, obwohl Botox-Anne heute mal Will? Weil Mutti auf den Refrisch-Knopf drückt statt einem echten Reload platz zu machen? Weil die unsäglichen, mediocren Schranzen winselnd vor ihr auf die Knie gegangen sind und sie beschworen haben, das Vaterland zu retten?
Das Problem ist wohl, dass es leider schon lange nicht mehr um die „Unbeirrtheit“ oder „Standfestigkeit“ der bald „ewigen Kanzlerin“, mithin der würdigen Nachfolgerin von Helmut Kohl (sein Mädel) geht, sondern darum, dass sie mit ihrer erneuten Kandidatur jede Reform, ach was, jedwede Bewegung im bürgerlichen Lager unterminiert.
Das wird ihnen und allen anderen „etablierten“ Parteien ebenso wie uns freiheitsliebende Parteilose teuer zu stehen kommen. Wetten werden angenommen: SPD unter, AFD über 20%. CDU gerade mal soviel, dass so etwas wie ein Regierungsbildungsauftrag zustande kommt. Und dann? Noch ein Vertrag mit der zwischenzeitlich zur Voll-Diktatur verkommenen Türkei als Koalitions-geschachere? Ein Arrangement mit LePen-Frankreich und dem bis dahin auch geografisch rechten Rand Europas (Polen, Tschechien, Bulgarien, Ungarn-Österreich etc.) um Europa zu retten?
Der entscheidende Unterschied heute liegt klar zutage: Stillstand war in der Ära Kohl (noch) kein gravierendes Manko. Für mich schon; für die Mehrheit aber nicht. Schon gar nicht nach der Geschichtsklitterung zu und nach 1989. Heute aber ist es schlicht Kapitulation. Vor den „Gegebenheiten“, denen Mutti sich „zu gegebener Zeit“ annehmen will – ungefähr so flott, wie sie eine Lösung für die seit vorgestern Gekündigten bei VW „erarbeiten“ will. Nämlich dann Pflaster auf die Wunden zu legen, wenn die schon lange ihre Kündigung bekommen haben und die Miete nicht mehr zahlen können. Also vielleicht sogar Verrat. Das – und vieles andere was bis dahin noch kommen wird – werden sie ihr nicht verzeihen.
Und noch etwas systemimmanent gefährliches beeinhaltet des Merkels scheinbare Aufopferung: das Vakuum, dass sie hinter sich herzieht. Mittelbar die Unmöglichkeit für jüngere, motivierte, anders gebildete und sozialisierte Führungs-Aspiranten, sich noch weitere 5 Jahre mit den Apparatchicks (sic!) herumzuschlagen, bevor sie zum Zuge kommen … könnten. Wenn sie sich bis dahin die schrumpfende Liste hochgedient haben. Ehrlich, die gehen doch lieber in die Wirtschaft – und sei es als zukünftiges Digital-Präkariat. Und dass der fette Siggi jetzt bald alle aus dem Weg geräumt hat, die ihm irgendwie gefährlich werden könnten, bei seiner krachenden Niederlage, macht die Sache nicht besser.
Keine Alternative zulassen. Niemanden hochkommen lassen. Die Finger von allem lassen, was grundlegende Veränderung bedeuten würde. Grenz-Populismus lieber als Teil des eigenen Programms präsentieren. Die „Heute Show“ fasst es begrifflich zusammen: wahlternativlos. Also mal laufen lassen und empört zugucken, ob es gutgeht? Kann nicht gutgehen. Denn wie meine Zweitlieblingsbloggerin (e13 bzw. ihre Quelle, die Kunstfigur Jonathan Pie / hier sein memorabler rant am morgen danach) es ausdrücken: „Beeing offended doesn’t work anymore“.
Da war doch was mit einer anderen Wiedergängerin in den USA, oder? Nix gelernt? Komme mir vor wie in The walking Dead. Aber ohne, dass wir Wummen hätten. Die AFD lacht sich ins Fäustchen. Denn Populismus ist nicht mit gespieltem Populismus zu resorbieren, Herr Seibert et al. Auch wenn das schon zwei mal funktioniert hat.
Mutti reloaded? The bin is just a click away. Reboot!
E pluribus unum.
E pluribus unum.
Sinngemäß „aus vielem Eines machen“ – das steht im großen Siegel-Wappen der „Vereinigten“ Staaten von America. Und die sind seit heute morgen entzweiter und von Vereinigung entfernter als je. Viel mehr die beiden inneren Lager statt vieler, und beides aus gutem, nein, schlechtem Grund.
So richtig verstehen können wir es auch deshalb nicht, weil in Europa sowohl die Heterogenität der einzelnen „Staaten“ (sozial, strukturell, kulturell, das mit der Landschaft kennt man ja aus dem Kino) als auch die Zerrissenheit im Inneren des Gebildes, die sich jetzt manifestiert, völlig unterschätzt wird.
Ja, es ist ein Abgrund, der sich da auftut. Und ja, man möchte verzweifeln. Vor allem aber an der eigenen Fehleinschätzung der Ausgangslage, an der bitter enttäuschten Hoffnung, die USA als Ganzes würden sich doch beizeiten besinnen; sie würden doch nicht im Ernst, also nicht wirklich jetzt, oder?
Doch.
Denn wir Europäer vergessen immer wieder, wie es ist (oder wäre), seit Generationen in einem Zwei-Parteien-System zu leben; politische Beurteilungen ausschließlich (und reziprok) in richtig vs. falsch zu fassen, sozusagen in Schwarz/Weiss-Bildern und Freund/Feind-Mustern zu denken. Hier tut sich eine Parallele zum Brexit-Votum auf: auch auf der Insel wurde „nur“ zwischen Yes und No abgestimmt – was gereicht hat, um in der Addition die Frustrierten, Ungebildeten und Angsterfüllten zu einer relevanten, kritischen Masse zu „einen“.
Is he gonna „lock her up“? Will he „build the wall“? Will he „make America Great again“? Erschütterung über die grassierende Ignoranz, den kaum verhohlenen Rassismus und breitärschigen Chauvinismus ist zwar ein verständlicher Reflex und auch mir geht es so, dass ich es kaum fassen kann. Aber Schockstarre und Kopfschütteln hat böse Geister noch nie vertrieben und derlei zivilisatorischer Ekel wird uns nicht einmal kurzfristig weiterhelfen denn wir sind – als Deutsche ebenso wie als Europäer – längst eingebunden, ja abhängig von den übergeordneten Wirtschaftskreisläufen, deren Hauptakteure schon bald nur noch mit den Schultern zucken werden.
So seltsam es klingt, aber die Unzumutbarkeiten der Person Trump sind für uns im alten Europa eher zweitrangig und werden lediglich als Empörungskulisse herhalten müssen, wenn wir um unsere Exporte und die Finanzierung der NATO kämpfen. Leider auch um unsere so fragilen inneren Werte. Denn es gibt auf unserem Kontinent mehr als genug Mitglieder der „Autoritären Internationale“ die sich jetzt schon darauf freuen, unser aller großem Bruder bei der reaktionären Arbeit mit Illegalen, Flüchtlingen und „Schmarotzern“ zuzusehen um ihren Landsleuten dann ein selbstzufriedenes „so macht man das!“ zuzurufen.
Was also ist aus dem „Amerikanischen Traum“ geworden, jetzt, wo die, die daran glaubten und die er (aus unterschiedlichen Gründen übrigens) nie erreicht hat, deutlich und mit den Füßen für einen abgestimmt haben, den sie als Gewinner sehen und auf den sie ihre Resthoffnung projizieren, ihm nicht chancenlos hinterher gelaufen zu sein.
Mittelbar hat die geradezu paradoxe Selbstbezüglichkeit eines Systems, dessen „Traum“ quasi aus Verzweiflung erneuert werden muss (statt sich selbst oder seine Regularien zu reformieren) im solipsistischen Herrn Trump ihren Repräsentanten gefunden. Er wird seinen Gefolgsleuten schon einen „New Deal“ basteln, denn auf Deals versteht er sich. Auch wenn diese mehr mit einem Spiel und Zockerei als mit Reform und Augenmaß zu tun haben.
Einfacher ausgedrückt wählten die, deren Traum nicht / wahrscheinlich nicht / vielleicht nicht in Erfüllung gehen wird denjenigen zu ihrem Anführer, der diesen Traum repräsentiert und nichts anderes kennt, als herbeispekulierten Erfolg aus privilegierter Position heraus.
Noch einfacher: der Niedergang UND die Angst davor wählten den, der behauptet, der Traum existiere noch und er sei das beste Beispiel dafür.
Das hat für eine Mehrheit gereicht, die wir hier in unserem Wohlstandsnest nicht für möglich hielten. Post-faktisch (prä-faschistisch?) und rein emotional wurde dafür gerungen und ein Austausch von Argumenten war nicht vorgesehen. Die Wut auf das Establishment und das tückische Gift der Abgrenzung taten ihr Übriges um einen Erfolg einzufahren, der sich wie die maschinelle Ernte gigantischer Mengen wuchernder Enttäuschung anfühlte. Mutterkorn inbegriffen.
Und das, obwohl die Hoffnung auf eine Genesung des „Rust Belt“ ebenso illusorisch erscheint, wie die, illegale Einwanderer auszuweisen würde mehr Jobs schaffen als die 14 Millionen der Administration Obama oder (quasi gespiegelt) der befürchtete Verlust des Sozialstatus einer vergleichsweise wohlhabenden unteren Mittelschicht, deren vorwiegende Malaise aus diffusen Abstiegsängsten und Skepsis gegenüber „den Eliten“ besteht.
Schade, dass wir die schöne Grafik nie sehen werden, wie hoch die zahllosen Trump-Bauten heute wären, wenn man alle illegalen Arbeiter auf deren Baustellen „physisch“, also in Stockwerke umrechnen und abziehen würde. Oder die, um wieviel die Investments der zweiten Gruppe schrumpfen würden, wenn sie nicht an der Konversion ihrer Ersparnisse in windige Immobilien und Bauherrenmodelle teilgehabt hätten.
Für mich persönlich ist diese Entwicklung ein weiterer, schwerwiegender Grund, die „westliche“ Welt noch schwerer erträglich zu finden. Und möglicherweise ein Anlass dazu, sich weitergreifende Sorgen um das angelsächsische Gesellschaftsmodell eines entfesselten, unsolidarischen Kapitalismus zu machen, der in seinem desillusionierenden Niedergang gefährliche Autoritäten gebiert, die keinen anderen sozialen und kulturellen Hintergrund als Durchsetzungsvermögen, Gewinnmaximierung und das große, charity-sedierte Glück einer kleinen Gewinnerschar kennen.
Bleibt zu hoffen, dass sich die nun „durchregierende“ Schar republikanischer Berater die Chance nicht entgehen lässt, das gefährliche Individuum in ihrer Mitte unter Kontrolle zu halten und die Union (denn eine Nation ist es nicht oder nicht mehr) nicht weiter zu spalten indem sie die Errungenschaften der Ära Obama samt und sonders rückgängig macht. Besondere Sorgen mache ich mir in diesem Zusammenhang um die Pariser Verträge zum Klimawandel. Ein simpler Federstrich und nach 4 Jahren … mir die Sintflut. Auch um „Obamacare“, der singulär solidarischen Reform dieser nun bereits verblassenden Zeit des „slow jamming the news“. Oder sollte ich sagen „erblondeten“ Zeit? Ach, tempi passati, ebenso wie die mögliche Koalition in Syrien, jetzt schon.
Womit wir beim „Whip of the Majority“ und seiner entscheidenden Rolle wären (ja, den gibt es wirklich und er kann über einen Deutschen Fraktions- vorsitzenden nur müde lächeln) … und damit natürlich bei House of Cards und Frank Underwood bzw. Kevin McCarthy. Vielleicht klären Sie es ja irgendwann auf bewährte Art & Weise. Falls er völlig aus dem Ruder läuft, that is.
Jetzt also noch ein bisschen Kopfschütteln,
dann einen heißen Kakao,
und endlich die dritte Staffel.
Binge watching gegen binge voting, sozusagen.
Klopf, klopf!
Einfach.
We’re so stupid that we’ll gonna die from it.
R. (Copyright 2016)
Lehren.
Interessant: die Griechen haben Skrupel, Flüchtlinge abzuschieben, weil sie die Türkei nicht als „sicheres Drittland“ betrachten. Muss wohl ein Kulturvolk sein. Werden aber von ihren EU-Gläubigern dazu gezwungen. So kann man ein Problem auch lösen. Mann schiebt es einfach zu denen, die einem was schulden; und dann schieben die es … ab. Aber hey, die neue Statistik sagt 720 gegen 120.000 im letzten Jahr. Das ist der AFDermath.
Nebst der Offenbarung völliger Empathielosigkeit (Flüchtlings-Realpolitik) und der weltumspannenden Beweise für endemische Unsolidarität unter Besser-verdienenden (Panamapapers) sowie totale Folgenlosigkeit der Bankenkrise (wetten statt finanzieren) gibt es parallel dazu:
- 795 Millionen hungernde Menschen (Die im Moment noch nicht auf der Flucht sind)
- Immer noch fast eine halbe Million Malaria-Tote (Da wo es niemanden interessiert)
- 10,4% Arbeitslose in der Euro-Zone (Jeder 10-te in der EURO-Zone!)
- 372 untergetauchte Nazis, die ihren Haftbefehl nicht „angetreten“ haben (Unbehelligt)
So langsam frage ich mich, ob wir noch irgendwelche Werte ausser den ökonomischen haben. Soll denn alles umsonst gewesen sein? Die alten Griechen? Die Aufklärung? Der Rationalismus? Die Dustbowl? Die Weltkriege? Der Kommunismus? Die Bankenkrise? Die Lehren aus den asymetrischen Konflikten?
Glaube nicht (;-)