Bots.

Auch wenn man es irgendwie schon erahnt hat, so ist die Zahl von über 60% „Maschinenverkehr“ im Netz doch schockierend. So gelesen in einem Artikel der SZ von Bernd Graff. Das Maschinen allumfassend durchforsten, indexieren und spionieren ist nicht weiter verwunderlich. Dabei stellt man sich allerdings immer noch vor, es wäre ein menschliches Wesen an einer (natürlich rasend schnell bedienten) Tastatur, der die Hoheit über das Geschehen inne hat. Nun, dem ist scheinbar – zumindest statistisch – nicht mehr so, denn die Maschinen senden und suchen nicht nur; sie sehen, gucken und hören sich offensichtlich raumgreifend gegenseitig zu. Und manche zahlen sogar Geld dafür, dass ihre Spots und Nachrichten, Tweets und Videos von Robots rezipiert werden. Was mich als Vernetzungsskeptiker und Social Network-Verachter (ja, ich sehe die Kommentare schon kommen) einerseits zu einer gewissen Häme verleitet, andererseits zur erschreckenden Erkenntnis führt, dass wir diesen Teil der Evolution – quasi als Hyper-Natur – aus der Hand gegeben haben.

Da zitieren wir doch gerne Alfred North Whitehead, den Lehrer von Bertrand Russell: „Die Zivilisation kommt nur dadurch voran, dass die Zahl jener Handlungen wächst, die wir vollführen, ohne darüber nachzudenken.“

Die Frage stellt sich, ob das „wir“ in diesem Satz eigentlich noch „wir“ sind.

http://www.sueddeutsche.de/digital/report-zu-bot-traffic-wie-maschinen-das-web-ausnutzen-1.1956939-3

Cosmic.

Sie haben herausgefunden, dass es einen „Galaxienhaufen“ gibt, der „El Gordo“ – also der Fette – heisst. Diese Ansammlungen von Sternensystemen (!), die sich zu Galaxien zusammengeschlossen haben, die wiederum eine Ansammlung von Galaxien bilden ist sooo fett, dass sie das Licht krümmt, das von hinter ihr zu uns dringt. Das bedeutet a) dass Einstein recht hat und immer hatte, b) dass es zwingend verschiedene Zeiten gibt, und das c) Paralleluniversen logisch erscheinen. Prima Sache das.

Und ich habe mit meiner Frau lecker zu Abend gegessen, ein schönes Gespräch geführt und dann abgespült.

Alles wird gut, weil nichts ist, wie es scheint. Aber alles ist auch gut, weil alles so ist, wie es scheint.

Und dascha mal ein Grund zur Zufriedenheit.

Les mauvaises bonnes raisons.

Kürzlich erlebt: wenn sich Menschen trennen wollen, finden sie plötzlich Gründe. Warum, nach so langer Zeit? Oder anders gefragt: „Wie kann es sein, dass ich soviel Falsches übersehen, soviel unüberbrückbare Differenzen nicht wahrgenommen habe?“ Falsch. Es gibt viele Gründe, warum man zusammen war, aber nur einen, warum, man sich trennt: weil man es will. Auch, wenn man es nicht wüsste. Danach kommen die Gründe, die Rationalisierungen, die Rechtfertigungen. Wie bei einer Katze, die man tötet, weil sie Tollwut hatte. Zur rechten Zeit.

In meinem Fall ist es nicht annähernd so tragisch; für Freunde aber, denen man die Wahrheit, die man empfindet (wahr oder nicht, korrekt oder nicht) gegenüber nicht mehr aussprechen kann, gilt:

One for the money, two for the show,

honey I love you, I’m ready to go.

Alles durcheinander.

Es regnet den ganzen Tag. Ich habe einen Schirm geschenkt bekommen. Meine Mutter hat eine neue Pflegekraft. Mein bester Freund disst mich. Meine Frau hat ein Golfturnier in Spanien gewonnen. Meine Co-Autorin zur „Kutsche des Todes“ verunsichert mich. Die Sicherungen meiner Küche knallen permanent durch. Ich habe 64 Minuten lang den Bacardi-song in der Warteschleife von Fluege.de gehört, weil ein Detail nicht stimmt. Schwelgte mit einem 68-jährigen 68er über das Leben am Boulevard Raspail und in Islington. Es gab Brotzeit statt der geplanten Entrecôte. Der HSV hat gewonnen. Mein bester Freund nicht. Und wir müssen morgen gegen Sandhausen ran. Schöner könnte das Leben nicht sein.

 

Wahrheit.

Ein Mann, dessen Vater gestorben ist, durchsucht dessen Druckerwerkstatt. Er, der Vater, hielt sich über Wasser mit dem Druck von Briefpapier, Etiketten, Kuverts und Ähnlichem. Er streift also durch das Hinterzimmer der Werstatt und findet eine Schachtel mit der Aufschrift „Bitte nicht öffnen“. Er überlegt lange, ob er sie nicht öffnen soll, entscheidet aber aus Respekt vor dem Verstorbenen, sie nicht zu öffnen.

Nach Jahren des innerlichen Kampfes, des Zögerns und des fast unbezwingbaren Wunsches, die Schachtel zu öffnen, beschließt er, dem Rätsel und seiner Neugier ein Ende zu bereiten und öffnet die Box. Darin sind eine handvoll Etiketten mit der Aufschrift „Bitte nicht öffnen“.

Die Wahrheit ist ein leerer Briefumschlag.

Stachelschwein.

Ein intermezzo bei Arte. Erzählt wird die Geschichte des Stachelschweins als Parabel des sozialen Menschen. Stachelschweine frieren im Winter so wie alle Tiere in Südafrica. Also versuchen sie zu kuscheln. Was zu pieksen führt. Worauf sie sich entfernen … und frieren. Dann versuchen sie es erneut. Es piekst wieder. frieren, pieksen, kuscheln, autsch!

Wir kommen also nicht umhin, eine Lösung dieses Dilemmas zu suchen, denn wir sind ja intelligente Stachelschweine. Die Lösung ist: Höflichkeit. Mittelbar die Nähe (oder Regeln, oder Konformität, oder Nestwärme) in der Distanz; und die wohldosierte Distanz in der Nähe (oder Öffentlichkeit, oder Gesellschaft oder Partnerschaft). Höflichkeit. Dazu gehört auch, Gedanken mitzuteilen denen, die einem wichtig sind. Und genau da hört der Stachel auf. Denn man kann sie auch alle so anlegen, das Kuscheln möglich wird.

Einen schönen Abend – vor allem unseren Russen auf der Krim. Die tolle Geschichten zu erzählen hätte, wenn wir sie den ließen.

Vogelwild.

Als ich meinem Freund Thoeun in Cambodia den leicht überheblichen Rat gab, keinen Copy-Shop, sondern ein Internetcafé zu eröffnen, war das noch Zukunftsmusik. Inzwischen hat sein Freund, der Landvermesser, ihm jedes mal Bescheid gestoßen, wenn ein Stückchen der N2 aufgebuddelt wird, und er hat jedes verdammtes Mal dafür gesorgt, dass ein Stück „landline“ mitverlegt wurde. Das Puzzle ist inzwischen komplett und gestern wurde der Anschluss zur Hauptstadt und das Internet-Café gleich mit eröffnet. Wie schön.

Gratulationen unter mithemosun@gmail.com

IMAG2504

Nachtvögel.

Warum das noch keinem (!) als Titel eingefallen ist, fragt man sich. Na gut, es gibt ein schlechtes norwegisches Gruselwerk für Heranwachsende dazu http://www.amazon.de/Die-Nachtv%C3%B6gel-Tormod-Haugen/dp/3423074205 aber nichts wirklich bedeutendes. Ausser dem Bartkauz als Kreuzworträtselaufgabe (Frage: Nachtvogel), einer zweifelhaften Reisesuchmaschinenantwort, (2x sic!) und dass wir alle welche sind und bleiben werden. Außer meiner Lieblingskommentatorin natürlich.

Das macht jetzt 3 tolle Wörter. Und jetzt kommst Du.

Schreib-Bloggade.

Inwieweit bloggen Eitelkeit ist oder befördert, war heute bei einem zauberhaften Abend ein Thema unter vielen; mittelbar Zeichen für einen zauberhaften Abend. Und ob der Grundgedanke der Verfertigung von Gedanken beim Schreiben Grund genug oder nur die Spiegelung des Selbst über drei handvoll Leser Grund genug ist, wurde naturgemäß nicht abschliessend geklärt. Aber dass die Reflektion an sich – über welches Thema auch immer – mit einer virtuellen Leserschaft besser funktioniert, war Konsens; und sei es ein fauler. Denn schreiben über Sachen, die Sachen machen, oder Gedanken, die Gedanken machen ist auch dann gut, wenn sie niemand liest.

Was aber passiert, wenn man weiss (oder will), dass einen mehr (und immer mehr) Leute lesen? Ist und denkt man dann noch der/dasselbe?

Auch wenn die Kommentare spärlich fließen, das Feedback dünn ist, und eine hochgeschätzte Freundin einen auffordert, nicht „nur weiterhin verklausuliert und semipoetisch gesellschaftspolitisch vor Dich hinschwafeln willst, statt der Experte für…“ zu sein, bleibt das bloggen für mich eine Art öffentliches Privatissimum. Widerspricht sich, macht aber Sinn. Die Gedanken sind frei, aber besser geordnet, weil sie jemand liest. Wieviele das sind, spielt keine Rolle, denn der Respekt gegenüber 12 muss derselbe sein wie gegenüber 1.200. Umgekehrt jedoch beeinflusst die angenommene Leserschaft massiv die Art & Weise, wie (oder sogar worüber) man schreibt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ernie privat zu Bert dasselbe sagt, wie wenn er inner Glotze iss. Und die Muppets sind auch nur spannend gewesen, weil sie konsequent die Regeln missachtet haben. Am Ende mussten sie in ihrem eigenen Film „lampshading“ (habe ich heute gelernt) betreiben und eine abgewrackte Studiotour inszenieren, um sich als Oldtimer für Junge wieder interessant zu machen.

Was also, liebe Leser, soll ich tun? Weiter schreiben, wie mir der Schnabel gewachsen ist, disparat und ohne jede Hoffnung auf Relevanz und Gefolgschaft? Oder ein bisschen wichtig werden für mehr als zwei Dutzend?  „House of Cards“, habe ich mir sagen lassen, wurde den Wünschen der Seherschaft nach „designt“. Sie wollten was „intrigenhaft politisches, am liebsten von David Fincher und mit Kevin Spacey in der Hauptrolle“. Haben sie bekommen, Haben wir alle bekommen. Und da liegt der Reiz.

Sollte es aber dabei bleiben, dass ich mit Freunden ein paar Gedanken teilen möchte, bei denen ich nicht ständig von mir selbst unterbrochen werde, fällt mir kein Zacken aus der Krone, die ich mir noch nicht aufgesetzt habe.

Abgesehen davon habe ich heute gesehen, wie ein frischgebackener Sesamstrassenpuppenspieler mit seiner Figur – mittels Handy – die Kinder daheim grüßt. Besser kann bloggen nicht sein. Und die Zielgruppe ist 2, nein 3, nein 4. Plus X.

Schwarze Engel.

Seit etwa zehn Jahren bitte ich meine Frau, die ADAC Motorwelt nach Empfang noch am Briefkasten zu entsorgen. Grund dafür sind meine Erfahrungen als potentieller Anzeigenkunde mit diesem Drecksblatt, dass als auflagenstärkstes Magazin der Republik in manch einem Mediaplan über Wohl und Wehe der buchenden Agentur (bzw. Kunden) gebietet. Wenn es aus der Anzeigenplanung herausfällt, verändert sich bei der entsprechenden Zielgruppe der „Wirkungswert“ bzw. die „GRP“ (gross rating points) so dramatisch, dass es quasi automatisch eine Säule des dem Kunden präsentierten Mediamixes darstellt.

Das heisst es geht im aktuell vorliegenden Fall nicht nur um Erpressung auf der Basis höchst dubioser Leserschaften (wieviele Millionen schmeißen es wie wir weg, ohne es auch nur angesehen zu haben?), sondern um systematischen Betrug, nicht nur am Leser (siehe beiderlei Arten „Preise“ und ihr Zustandekommen), auch an den Kunden, die fast 6-stellige Summen für eine Farbseite Inserat auf den Tisch legen, weil es auf der Basis absurder, bis heute bestehender Modelle rechnerisch kaum zu umgehen scheint.

Bleibt zu hoffen, dass der riesige Sumpf medialer Korruption, der sich auch jenseits der ADAC Motorwelt erstreckt, endlich in den Fokus und die allgemeine Wahrnehmung rückt. Mich hat er seinerzeit meinem Job entfremdet; Euch wird er noch überraschen. Aber vielleicht doch nicht. Ein gelber Engel ist schwarz geworden und vom Himmel gefallen – dass wird dann wohl reichen, damit die anderen nicht blankziehen müssen. Titel der aktuellen Ausgabe: „Die Krise als Chance“. Wäre mir wohl auch noch eingefallen. Gross (rating points).